Hoch, höher, am höchsten.

Kommentar
März 2020

 

Autor: Klaus Siegers
Klaus Siegers ist Vorsitzender des Vorstandes der Weberbank und verantwortlich für die Bereiche Strategie, Personal und Beratung institutioneller Kunden.

Klaus Siegers

„Buy low, sell high!“ In der an Binsenweisheiten reichen Börsenwelt ist diese wohl die nächstliegende. Aber der Teufel steckt im Detail. Nur im Nachhinein weiß man, wann ein „High“ das Signal zum Verkauf gewesen wäre. Blickt man auf den Kurszettel, sagt einem niemand, ob dem einen „High“ womöglich ein weiteres folgt … „Von Gewinnmitnahmen ist noch niemand ärmer geworden!“ Noch so ein Spruch. Ebenfalls von bestechender Logik. Unsere Beraterinnen und Berater werden sich gern mit Ihnen über Depotwerte unterhalten, die gut gelaufen sind. Unsere Vermögensverwaltung tut dies jeden Tag. Sie alle wissen eines: Dem Verkauf folgt der nächste Kauf. Schließlich gilt es, die frei gewordene Liquidität wieder anzulegen. Eine Kreuzfahrt, ein neues Auto, eine Luxusuhr? Kommt vor, und wir freuen uns für Sie – aber meistens geht es um die Wiederanlage.

Das Problem: Sind die Börsen auf Rekordniveau, drängen sich vielen Anlegern Gewinnmitnahmen auf. Doch auch etwaige Anlagealternativen sind dann in der Regel gut gelaufen. Geht es womöglich noch weiter? Wer weiß das schon? Was man aber definitiv weiß: Langfristig hat man in der Vergangenheit trotz mitunter munterer Schwankungen und womöglich auch Minusphasen mit einer Aktienanlage quasi immer im Plus gelegen; mittelfristig im Grunde auch. Darauf hat erst kürzlich wieder das Deutsche Aktieninstitut hingewiesen. Das relativiert ein wenig die Tatsache, dass sich der DAX derzeit auf Rekordjagd befindet. Zu den Bestimmungsfaktoren der Kurse zählen nämlich unverändert Fundamentaldaten, und die interessiert der Kurszettel gar nicht. Wie wird der Brexit bewältigt? Wie der von Donald Trump angezettelte Handelsstreit? Und vor allem: Wie entwickeln sich die Unternehmensgewinne? Und vieles mehr. Wer sagt uns denn, dass der DAX nächstes Jahr nicht 1000 Punkte höher steht? Oder 2000? Oder aber niedriger?

Und überhaupt, der DAX… Anders als seine Kollegen S&P 500, FTSE oder Nikkei ist er kein Kursindex, sondern ein sogenannter Performance-Index, das heißt, sämtliche Dividenden werden mitgezählt, wodurch er aufgebläht erscheint. Rechnet man die Dividenden heraus, so läge er bei knapp 6000 und damit noch niedriger als im Jahr 2000. In Relation zu den Gewinnen der Unternehmen ist der DAX auf mittlerem Niveau bewertet, das Kurs-Gewinn-Verhältnis rangiert auf langjährigem Durchschnitt und bestätigt, dass der DAX nicht stärker gestiegen ist als die Gewinne der Unternehmen. Höhe ist also ein sehr relativer Begriff. Apropos Relation: Aktien generell sind die einzige Anlageklasse, die keinen deutlichen Anstieg ihres Preises in Relation zum laufenden Ertrag zu verzeichnen hat und sich mithin anders als Anleihen und Immobilien noch nicht an das Nullzinsumfeld angepasst hat. Die Dividendenrendite ist die einzige Rendite, die im Nullzinsumfeld nicht geschrumpft ist: Sie rangiert bei deutschen Aktien um zweieinhalb bis drei Prozent auf gleichem Niveau wie vor der Finanzkrise.

Und wer all dessen ungeachtet findet, dass Rekordkurse ein Verkaufssignal sind: Einzig mit Aktien ist – entsprechende Risikoneigung vorausgesetzt – bei bonitätsstarken Investments noch ein realer Vermögensaufbau möglich. Und das ohne große Erwartungen an die Kursentwicklung, da bereits die Dividendenrendite geeignet ist, die Inflation überzukompensieren, was mit halbwegs sicheren Anleihen längst nicht mehr möglich ist.

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