Reden wir über Unsicherheit

Kommentar
März 2016

 

Autor: Klaus Siegers
Klaus Siegers ist Vorsitzender des Vorstandes der Weberbank und verantwortlich für die Bereiche Strategie, Personal und Beratung institutioneller Kunden.

Klaus Siegers

 „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Diese Maxime des Sokrates wünschte man einigen Talkshow-Dampfplauderern ins Stammbuch geschrieben. Denn sie ermahnt zu Erkenntnissuche vor einer Entscheidung und zu Demut bei der Meinungsäußerung. Vielleicht aber wollte uns der griechische Philosoph auch darauf hinweisen, dass man viele Entscheidungen gezwungenermaßen in Unsicherheit treffen muss, was im Übrigen jeder Unternehmer bestätigen wird. Warum sonst spräche man vom unternehmerischen Risiko? Dem Risiko etwa, vorschnell zu urteilen.

Die Finanzmärkte sind ein Paradebeispiel für Entscheidungen ohne abschließende Kenntnis der Sachlage. Unter diesem Aspekt sind wir alle „Spekulanten“ und eben nicht „Wissende“. Aber weil die meisten von uns keine Hasardeure sind, analysieren wir die Fakten genau und ziehen dann Schlüsse. Begeben wir uns also auf die Suche nach Erkenntnis und betrachten die derzeit herausragenden Themen aus Anlegersicht: Bedenken bezüglich Chinas weiterer Entwicklung sind nachvollziehbar – allein, weil es sich um einen zentral gesteuerten Wandlungsprozess handelt. Doch spontanes Fluchtverhalten oder gar akute Panik – wie zu beobachten war – sind rein emotionale Reaktionen. Bei näherer Betrachtung stellt man fest: China wächst weiterhin sehr stark in den Bereichen in die es sich hineinentwickeln will. Lediglich der Rückzug aus den bewusst schrumpfenden Sektoren erfolgt schneller als geplant und verdirbt vorübergehend die Wachstumsbilanz.

Auf einen flacheren Wachstumspfad haben sich Unternehmen längst eingestellt. Statt Maß zu halten, gilt an der Börse aber leider oft: Mehr ist nicht genug. Von der EZB werden weitere Lockerungsschritte erwartet, in Form einer nochmaligen Ausdehnung des Anleihenkaufprogramms und auch einer zusätzlichen Senkung der Zinsen. Sie sollte aus der enttäuschten Reaktion auf die Entscheidungen im Dezember allerdings gelernt haben, die Erwartungen im Vorfeld nicht selbst ins Unerfüllbare zu steigern. Spätestens mit jedem weiteren Rutsch des Ölpreises werden die Börsen aber auch ohne Zutun der Notenbank von allein ins Spekulieren geraten. Der Aktienmarkt hat diese Notenbank-Geldspritzen ohnehin nicht nötig, es kommt nur der geringste Teil der Liquiditätszufuhr dort an: Seit März 2015 hat die EZB über Anleihenkäufe rund 600 Milliarden Euro in die Märkte geschleust, rund 500 Milliarden davon sind stante pede zurückgeflossen und von Banken wieder bei ihr geparkt worden. Mit solchen Streuverlusten hatte die US-Notenbank bei ihren Lockerungen nicht zu kämpfen: Sie konnte den lange angekündigten Politikwechsel vollziehen, hat ihre quantitativen Maßnahmen längst eingestellt und wird in diesem Jahr voraussichtlich weitere Zinserhöhungen folgen lassen. Zu einem Renditeanstieg am Anleihenmarkt hat dies auch in den USA bislang nicht geführt. Das ist natürlich nur ein ganz kurzer Rundumblick.

Wie hat man das alles nun zu bewerten? Wie üblich kommt es auf den Einzelfall an. Aber genau hierin liegt die Kunst: Was bedeutet das große Ganze, das jeder sehen kann, für den Einzelnen, seine Geldanlagen, seine Ziele, die der Familie? Das klären wir am besten gemeinsam, denn zusammen wissen wir mehr. Wir freuen uns auf die nächsten Gespräche mit Ihnen.  

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