Berlin kommt

Kommentar
Juni 2017

 

Autor: Klaus Siegers
Klaus Siegers ist Vorsitzender des Vorstandes der Weberbank und verantwortlich für die Bereiche Strategie, Personal und Beratung institutioneller Kunden.

Klaus Siegers

Dass ich eine positive Haltung zu unserer Heimatstadt habe, wird mir wohl jeder nachsehen. Es macht einfach Spaß, in einer Region zu leben und zu arbeiten, die sich positiv entwickelt. Ich freue mich jedenfalls, wenn ich den Konjunkturausblick der hiesigen Investitionsbank für Berlin lese: 2,2 Prozent Wirtschaftswachstum werden für dieses Jahr erwartet, für Deutschland gesamt sind es nur 1,5 Prozent. 60.000 neue Arbeitsplätze können 2017 hier entstehen. Eine der herausragenden Branchen sei das Bauwesen. Ich finde, das macht den einen oder anderen Stau erträglich. Es tut sich halt etwas!

Vor diesem Hintergrund lässt eine andere Meldung aufhorchen: Laut einer Studie im Auftrag der EU-Kommission schneidet die Hauptstadtregion unter 263 europäischen Regionen in Sachen Konkurrenzfähigkeit mit Platz 45 recht enttäuschend ab. Berlin und Brandenburg zusammen zu untersuchen, ist völlig richtig – wir sind nun einmal ein Wirtschaftsraum. Angeführt wird die Liste vom Großraum London, Oberbayern/München liegt als beste deutsche Region auf Platz neun. Sind wir etwa gar nicht so gut wie wir glauben? Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären?

Besieht man sich die Studie genau, wird es nicht besser: Berlin/Brandenburg ist die einzige Hauptstadtregion in Europa, deren Werte schlechter sind als die des jeweiligen Landesdurchschnitts. Dennoch ist dies ein aufschlussreicher Hinweis. Offenbar hat unsere Region mit Belastungen zu kämpfen, die es woanders nicht gibt oder gab. Aber das hätten wir auch so gewusst – nicht nur wegen der langen Teilung ist Berlin ein Sonderfall. Wussten Sie, dass Konzerne wie Siemens, Deutsche Bank, Lufthansa oder Allianz in Berlin gegründet wurden und hier ihre Zentralen hatten? Das scheinen manche selbst in diesen Unternehmen vergessen zu haben. Und auch die Deutsche Bundesbank hatte jahrzehntelang laut Gesetz „ihren Sitz am Sitz der Bundesregierung; solange sich dieser nicht in Berlin befindet, ist Sitz der Bank Frankfurt am Main.“ Klingt eindeutig, aber davon spricht heute niemand mehr…

So gesehen ist Platz 45 womöglich gar nicht schlecht. Vor allem aber gibt es gute Aussichten: Berlin zieht die Start-Up-Szene an wie kaum eine andere Metropole weltweit. Hier siedelt sich die Zukunft an! Das sehen wir inzwischen schon teilweise an unserer Kundenstruktur: Bisweilen sind unsere Gesprächspartner jünger und buchstäblich hemdsärmeliger als früher. Damit wird unsere Kundschaft in ihrer Gesamtheit heterogener. Interessanterweise sagt die äußere Hülle rein gar nichts über die Ziele, Wünsche und Bedürfnisse aus, über die unsere Kunden mit uns sprechen. Vermögensmanagement, Versorgung der Angehörigen, Immobilienerwerb – die Themen ähneln sich. Es ist eben nicht so, dass ausschließlich bestimmte Menschen zu Vermögen kommen – es ist der Besitz des Vermögens, der nun einmal Konsequenzen nach sich zieht. Diese sind bisweilen durchaus komplex, aber dafür haben unsere Kunden schließlich uns.

Alle, die in dieser Stadt leben und arbeiten tragen dazu bei, Berlin weiter nach vorne zu bringen. Und so lassen sich die scheinbar widersprüchlichen Meldungen dahingehend interpretieren, dass wir einerseits auf richtigem Wege sind, andererseits noch ein gutes Stück zu gehen haben. Wir gehen gerne mit!

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