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Der Fotovoltaikmarkt boomt. Doch welche Unternehmen, welche Branchen oder welche Regionen sich dauerhaft im Erfolg sonnen können, ist noch unklar. Denn die Politik sorgt immer wieder für Schatten – das macht es für Unternehmen und Verbraucher kompliziert.

70 NEU INSTALLIERTE SOLARANLAGEN – und das jeden Tag: In diesem Tempo arbeitet das schnell wachsende Berliner Start-up Enpal. Mehr als 50 000 deutsche Hausdächer hat das erst 2017 gegründete Unternehmen bereits mit Fotovoltaik ausgerüstet. Im vergangenen Jahr konnte das Start-up 415 Millionen Euro Umsatz verzeichnen. Und Investoren haben bereits Hunderte Millionen Euro in die Firma gesteckt – in der Hoffnung auf strahlende Renditen. Ebenfalls in Berlin arbeitet Zolar mit einem ganz ähnlichen Geschäftsmodell. Beide Start-ups versprechen Hausbesitzerinnen, möglichst unkompliziert zur eigenen Solaranlage zu kommen. Die Firmen digitalisieren einige Planungsschritte, kümmern sich um die Montage und bieten die Wahl zwischen Miete oder Kauf der Anlage.

BEIDE START-UPS SIND PROFITEURE des neuen Fotovoltaikbooms – aber keineswegs die einzigen. Weltweit setzen Staaten und ihre Bürger auf erneuerbare Energien, die nicht die Erderwärmung begünstigen. Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine und den Gaspreiswirren des vergangenen Winters ist die Botschaft für viele klar. „Im vorigen Jahr mussten wir schmerzlich erfahren: Wir müssen uns unabhängig machen von fossiler Energie und volatilen Preisen“, sagt Mario Kohle, Enpal-Gründer und -Chef. Verbraucher und Unternehmerinnen suchen nach Möglichkeiten, selbst Energie zu erzeugen.

Fotovoltaik boomt – überall?
Fotovoltaik, die Umwandlung von Licht in elektrische Energie, ist dabei ein beliebter Weg. Die Energiewende böte eine historische Chance, sich von ökonomischer und politischer Abhängigkeit zu befreien, schreiben Wissenschaftler des Forschungsinstituts Fraunhofer ISE: „Die Sonne scheint auch in Deutschland, Rohstoffe für die Fotovoltaikproduktion sind verfügbar, und Technologien zur solaren Stromerzeugung wurden in Deutschland maßgeblich mitentwickelt.“


ZAHLEN DER INTERNATIONAL RENEWABLE ENERGY AGENCY (IRENA) beweisen: Allein im vergangenen Jahr kamen global 191 Gigawatt Leistung im Solarbereich dazu. Es sei ein „Rekordjahr für den Ausbau erneuerbarer Kapazitäten“ gewesen, jubelte IRENA-Generaldirektor Francesco La Camera. Bis zum Jahresende 2022 wurden weltweit deutlich über 1000 Gigawatt Leistung installiert, die Sonnenlicht in Strom verwandeln. In Deutschland sind bis Ende Juli 2023 Solaranlagen mit insgesamt 75 Gigawatt Leistung ans Netz angeschlossen worden. Man habe festgestellt, dass das Thema Klimaschutz für Verbraucher „trotz Wirtschaftskrise einen sehr hohen Stellenwert hat“, sagt Sarah Müller, Chief Commercial Officer bei Zolar.


DOCH TROTZ DIESER ZAHLEN herrscht keineswegs eitel Sonnenschein in der Fotovoltaikwelt. Unternehmen müssen die Balance zwischen der rapide steigenden Nachfrage und einem stark schwankenden regulatorischen Umfeld halten. Dass Strom aus Sonnenkraft eine mächtige Rolle im zukünftigen Energiemix spielt, scheint klar zu sein – aber welche Unternehmen, welche Branchen oder welche Regionen sich am Ende dauerhaft durchsetzen, werden die kommenden Jahre zeigen.

Technologiesprünge an allen Ecken und Enden
Was die Technologie angeht, sind gewaltige Sprünge bereits geschafft. Andere stehen bevor: Das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie hat Ende 2022 eine „Tandemsolarzelle“ vorgestellt, die einen Wirkungsgrad von 32,5 Prozent erreicht. Das bedeutet, dass die innovative Zelle fast ein Drittel der einfallenden Sonnenstrahlen in elektrische Energie umwandelt – ein neuer Weltrekord. Parallel arbeiten Forscherinnen und Unternehmen daran, neue Mischungen aus Chemikalien und Materialien zu finden, um Solarzellen leistungsfähiger, widerstandsfähiger, flexibler oder schlicht günstiger zu machen. In diesem Sommer etwa berichteten Wissenschaftlerinnen aus Stuttgart und Freiburg von Durchbrüchen bei organischen Solarzellen. Die sind transparent und ließen sich perspektivisch direkt in Fenstern verbauen.

EBENSO WICHTIG FÜR DEN ERFOLG DER FOTOVOLTAIK sind die Fortschritte in benachbarten Bereichen, allen voran der Speichertechnik. An der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin hat sich die Forschungsgruppe Solarspeichersysteme auf dieses Thema fokussiert und vergleicht für die jährliche „Stromspeicher-Inspektion“ die Leistungsfähigkeit der angebotenen Batterien. Massiv steigende Zahlen verzeichnet auch die Fertigung der Module und Anlagen: Die Produktion von Fotovoltaikmodulen ist zum Massengeschäft geworden.

Sonne rechnet sich zunehmend
All diese Entwicklungen sorgen nicht nur für mehr Effizienz, sondern auch für sinkende Preise. Das gilt für Unternehmen ebenso wie für Verbraucher. Als Faustregel gehen Expertinnen davon aus, dass für private Hausdächer heute ein sogenannter Kilowattpeak für 1300 Euro zu haben ist. Das entspricht grob einer Fläche von sechs Quadratmetern, die im Jahr 800 bis 1000 Kilowattstunden Strom erzeugen. Diese Kosten haben sich innerhalb eines Jahrzehnts in etwa halbiert.


IN KOMBINATION MIT GÜNSTIGEREN PREISEN für Heimspeicher, von denen mittlerweile mehr als eine halbe Million Stück in deutschen Kellern stehen, lohnt sich eine Fotovoltaikanlage so für immer mehr Menschen. Denn: „Eine Solaranlage rechnet sich umso schneller, je mehr Solarstrom Sie direkt selbst verbrauchen“, so die Experten der Verbraucherzentrale. Wer sich auf sein Hausdach eine Solaranlage setzt, kann heute in den meisten Fällen etwa ein Drittel seines Stromverbrauchs selbst erzeugen. Wer noch eine Batterie für die Abendstunden und trübe Tage dazustellt, erreicht nach der Berechnung der Verbraucherschützer bis zu 70 Prozent Autarkie. Diese Zahlen überzeugen.

Regulatorik trübt die Rechnung
Dennoch ist nicht alles Gold, was in der Sonne glänzt. Denn auch wenn die Energiequelle nahezu unbegrenzt zur Verfügung steht – die Regulatorik sorgt weltweit für einen sehr engen Rahmen. Zum einen für die direkte Rentabilität der Anlagen: Strompreise sind häufig staatlich beeinflusst. In Deutschland kann bis heute die sogenannte Einspeisevergütung darüber entscheiden, wie schnell sich die Investitionen amortisieren. Aktuell zahlt der Staat bei kleineren Anlagen 8,2 Cent pro Kilowattstunde, die ins Netz fließt. Erst Anfang des Jahres wurden Fotovoltaikanlagen von der Mehrwertsteuer befreit – und damit auch private Verbraucherinnen von der Pflicht zur komplizierten Umsatzsteuererklärung.


ZUM ANDEREN PRÄGEN STAATLICHE EINGRIFFE die Fotovoltaikindustrie. Um die Jahrtausendwende blühte in Deutschland eine Landschaft aus Firmen, die Solarzellen fertigten. Dann reduzierte die Bundesregierung die Förderung massiv, parallel subventionierte China die Branche stark. Von der deutschen Fertigung war nach wenigen Jahren nicht viel übrig geblieben, heute sitzen die fünf größten Solarzellenhersteller in China. Vom neuen Fotovoltaikboom können zwar auch deutsche Firmen wie SMA Solar profitieren. Doch erneut mischen sich Staaten in das Ringen um Marktanteile ein. Jüngstes Beispiel: Der Schweizer Hersteller Meyer Burger, der große Produktionsanlagen in Ostdeutschland besitzt, kündigte in diesem Sommer an, neue Fabriken in den USA hochzuziehen. Dort locken milliardenschwere Subventionen.

Große Flächen, große Pläne
Global wird groß gedacht: In den Vereinigten Arabischen Emiraten entsteht ein Solarpark mit bis zu fünf Gigawatt installierter Leistung, in China und Indien sind halb so große Anlagen bereits seit Jahren im Betrieb. In deutschen Nachbarländern existieren ebenfalls ambitionierte Projekte: Das Bürogebäude „Powerhouse Brattørkaia“ im norwegischen Trondheim etwa erzeugt mehr Energie, als es verbraucht, und dient so als Kraftwerk für die Nachbarschaft. In Deutschland selbst sind die Dimensionen kleiner, aber die Ambitionen groß: Allerorts wird nach Flächen gesucht – es werden testweise Parkplätze, Radwege und Autobahnabschnitte mit Fotovoltaikmodulen überdacht. In einer ehemaligen Braunkohlegrube bei Cottbus soll im nächsten Jahr die größte schwim- mende Sonnenenergieanlage Deutschlands auf 16 Hektar entstehen.


AUF DEN DÄCHERN DER MESSE IN BERLIN wächst die größte Anlage der Hauptstadt. Bis 2025 sollen es dort sechs Megawattpeak installierter Leistung sein. Und auch auf anderen Dächern der Stadt werden Monteure von Enpal, Zolar und Co. in den kommenden Jahren gut beschäftigt sein. In der Stadt gilt, politisch nicht unumstritten, seit Januar eine Solarpflicht: Wer neu baut oder saniert, muss zumindest auf einem Teil der Dachfläche Fotovoltaikmodule installieren.

Text: Peter Ingolsen
Fotos: © KucherAV / Shutterstock, © Enpal, © Johannes Beckedahl / Lea Zimmerman / HZB
Datum: November 2023

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