Stiftungsrechtsreform: Was müssen Stifter wissen?

Gut zu wissen
Juni 2023

 

Autorin: Karin Kohler
ist als Rechtsanwältin und Stiftungsspezialistin bei der Weberbank tätig und verantwortlich für Steuern und Nachfolgeplanung. Seit zehn Jahren ist sie Mitglied im Vorstand der Weberbank-Stiftung, die als Dachstiftung für Treuhandstiftungen den Kundinnen und Kunden der Weberbank zur Verfügung steht. Ehrenamtlich engagiert sich Karin Kohler bei der Berliner Stiftungswoche und im Vorstand Stiftung Zukunft Berlin.

Karin Kohler

Der Gesetzgeber hat das deutsche Stiftungsrecht umfassend reformiert. Seit Juli ist es in Kraft.

Stiftungsrecht war bisher Landesrecht - das ändert sich, denn jetzt gibt das BGB bundeseinheitliche Rechtsvorschriften für Stiftungen vor. Wichtig ist dies nicht nur für Neugründungen, sondern auch für Bestandsstiftungen. Es gibt unter anderem neue Regeln zum Vermögen, zur Satzungsänderung, zur Haftung der Gremien und zur Zusammenlegung von Stiftungen. Sie gelten für gemeinnützige Stiftungen und Familienstiftungen.

Ganz neu ist neben dem vertrauten „Grundstockvermögen“ der Begriff „sonstiges Vermögen“, der für Verbrauchs- oder Hybridstiftungen gilt. Auch die Zustiftung ist erstmalig gesetzlich definiert. Sie ist ein nach Gründung hinzugekommener dauerhafter Vermögensteil und erhöht das Grundstockvermögen. Durch die neuen Vermögensbegriffe können Stiftungen künftig flexibler agieren.

Ebenfalls neu ist, dass Zuwächse aus der Umschichtung des Grundstockvermögens zur Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden dürfen. Hatte zum Beispiel eine Umweltstiftung Wertpapiere aus dem Stiftungsvermögen mit Gewinn veräußert, war es höchst umstritten, ob der Gewinn für Umweltprojekte eingesetzt werden konnte oder das Grundstockvermögen erhöht werden musste. Hier hat das neue Gesetz Klarheit geschaffen.

Die Einfügung der Business Judgement Rule in das BGB – nun auch für Stiftungen – senkt das Haftungsrisiko von Stiftungsvorständen. Es liegt keine Pflichtverletzung vor, wenn der Vorstand bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben die Vorgaben beachtet und auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohl der Stiftung handelt.

Des Weiteren erleichtert der Gesetzgeber die Satzungsänderungen. Bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse können prägende Bestimmungen der Stiftungssatzung künftig angepasst werden. Dies wurde bisher nur in sehr seltenen Fällen von der Stiftungsaufsicht genehmigt. Neustifter können außerdem bereits bei Satzungserrichtung erleichterte Voraussetzungen für Satzungsänderungen bestimmen. Laut einer Erhebung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen haben mehr als ein Drittel der deutschen Stiftungen ein Grundstockvermögen von unter 100 000 Euro. Sofern sie nicht Spenden oder Fördermittel erhalten, ist das Risiko vorhanden, dass sie notleidend werden und ihren Zweck nicht mehr erfüllen können. Nach neuem Recht ist in solchen Fällen die Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung oder die Zulegung zu oder Zusammenlegung mit einer anderen Stiftung leichter möglich.

Ab 2026 wird das elektronische Stiftungsregister vergleichbar zum Vereinsregister eingeführt. Bestandsstiftungen müssen bis Anfang 2027 für die Eintragung Sorge tragen. Stiftungen tragen dann in ihrem Namen den Zusatz „e. S.“, der für „eingetragene Stiftung“ steht. Der Stiftungsregisterauszug ersetzt künftig die Vertretungsbescheinigungen, die bisher die Stiftungsaufsichtsbehörden ausstellten.

Jede rechtsfähige Stiftung wird mit der Reform etwas mehr Spielräume erhalten und kann dies als Chance betrachten, Traditionen behutsam anzupassen.

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