Wenn Minderjährige erben

Gut zu wissen
Juni 2016

 

Autor: Gunthar Teichmüller
ist Direktor und Vermögensberater der Weberbank. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung vermögender Kunden. Der Diplom-Kaufmann ist Certified Financial Planner (CFP®) und Certified Foundation and Estate Planner (CFEP®).

Gunthar Teichmüller

In den nächsten Jahren wird in Deutschland voraussichtlich ein Vermögen von circa 3500 Milliarden Euro vererbt werden. Immobilien spielen dabei eine immer größere Rolle, denn sie werden in Zukunft einen erheblichen Teil des Erbes darstellen. Oft wird ein Testament erst in einem bestimmten Alter aufgesetzt, denn jüngere Menschen denken naturgemäß seltener über ihren letzten Willen nach. Aber insbesondere bei Familien mit minderjährigen Kindern, die einen besonderen Schutz im Erbfall genießen, ist ein Testament sinnvoll. Erben diese Kinder ein größeres Vermögen, kann ein fehlendes Testament zum Teil erhebliche Einschränkungen für den überlebenden Ehegatten bedeuten.

Man stelle sich folgende Situation vor: Ein 48-jähriger verheirateter Mann, Eigentümer mehrerer vermieteter Mehrfamilienhäuser, verstirbt unerwartet bei einem Autounfall. Er hinterlässt eine Ehefrau und einen zwölfjährigen Sohn. Die Eheleute lebten in einer Zugewinngemeinschaft. Ein Testament zu verfassen hat er stets vor sich hergeschoben. Daher erben seine Ehefrau und sein minderjähriger Sohn zu gleichen Teilen das hinterlassene Vermögen und bilden rechtlich eine Erbengemeinschaft. Das elterliche Sorgerecht obliegt nach dem Tod des Vaters allein der Mutter. Da kein Testament vorhanden ist, unterliegt der Nachlass in Hinblick auf das Kind jedoch zusätzlichen gesetzlichen Restriktionen. Die verwitwete Ehefrau ist verpflichtet, für das ererbte Vermögen ihres Sohnes ein Vermögensverzeichnis zu erstellen und beim Familiengericht einzureichen, wenn der Wert des ererbten Vermögens 15 000 Euro übersteigt. Sie kann zudem nicht mehr allein über das gesamte Vermögen verfügen. Ohne Einbindung des Familiengerichts kann sie weder die Erbengemeinschaft auflösen noch Immobilien verkaufen oder beleihen. In bestimmten Situationen bedarf es zudem der Bestellung eines Ergänzungspflegers. Dieser wird vom Familiengericht bestellt und gilt als ergänzender gesetzlicher Vertreter des Kindes. Unter diesen Gegebenheiten könnten wirtschaftlich sinnvolle und notwendige Darlehensaufnahmen, zum Beispiel zur Sanierung oder Reparatur eines Hauses, vom Familiengericht verzögert werden.

Insgesamt unterliegt der Nachlass, an dem ein Minderjähriger beteiligt ist, unter Umständen höheren Restriktionen, wenn er nicht durch ein Testament geregelt ist. Dem kann dadurch begegnet werden, dass geeignete testamentarische Lösungen die Einschaltung und Beteiligung des Familiengerichts – soweit gewünscht – reduzieren oder vollständig ausschließen. Wir empfehlen daher, die Erbfolge rechtzeitig festzulegen und eine Testamentsvollstreckung in Erwägung zu ziehen.

Es ist daher sinnvoll, die testamentarischen Überlegungen mit einem versierten Erb- und Vermögensnachfolgeberater, Rechtsanwalt, Notar und Steuerberater zu besprechen.

i