Autor: Marthel Edouard
Finanzmarkt aktuell per 28. Januar 2022
Marthel Edouard, Portfoliomanager
Die Stimmung der Anleger an den internationalen Kapitalmärkten hat sich seit Jahresbeginn deutlich eingetrübt. Von der Euphorie des Jahres 2021 war zuletzt nicht mehr viel zu spüren. Was es damit auf sich hat, und wie wir die Lage an den Märkten einschätzen, lesen Sie in der neuen Ausgabe von „Finanzmarkt aktuell“:
Die US-Notenbank verschreckt die Märkte
Das neue Börsenjahr ist noch jung, aber dennoch sind die Sorgenfalten bei vielen Anlegern bereits tief. Die Liste der Reizthemen hat es allerdings auch in sich. Fangen wir mit der Inflation an. Bekanntlich steigt die Inflation seit Wochen an und hat inzwischen Werte erreicht, die wohl außerhalb der Komfortzone eines jeden Notenbankers liegen dürfte: 5 Prozent im Euroraum und nahezu 7 Prozent in den USA. Das eigentlich Überraschende hieran sind aber nicht so sehr die Werte an sich, sondern die Reaktion der Zentralbanker auf eben diese. Allen voran die US-Notenbank Fed hält die hohe Inflation nicht mehr für temporär, sondern für hartnäckig. Binnen kurzer Zeit hat sich damit ihre Einschätzung und auch die der Europäischen Zentralbank deutlich gewandelt. Es ist nunmehr klar: Die Geldpolitik dreht und die Zeiten von tiefen Leitzinsen sowie milliardenschweren Anleihekäufen neigen sich langsam aber sicher dem Ende entgegen. Diese Erkenntnisse sind allerdings nicht ganz neu, sondern seit der Sitzung der US-Notenbank Fed im Oktober 2021 wohl bekannt. Unbekannt war bislang aber noch, wie schnell die Straffung der Geldpolitik in den USA und später dann auch in Europa erfolgen würde. Zumindest die Fed hat bei diesem Thema nun für etwas mehr Klarheit gesorgt. Am Mittwoch dieser Woche äußerte sich der Fed-Chef Jerome Powell abermals zu den Möglichkeiten mehrerer Leitzinsanhebungen, eines Stopps der Anleihekäufe und sogar einer Reduzierung der Bilanzsumme noch in diesem Jahr. Letzteres hat uns, wie auch viele andere Marktbeobachter, überrascht, verdeutlicht es doch, dass die Fed es eiliger mit der Normalisierung ihrer Geldpolitik haben könnte als bislang gedacht. Ein Umstand, den es im Auge zu behalten gilt.
Der Gegenwind am Rentenmarkt bläst mittelstark bis kräftig
Es gibt wahrlich bessere Nachrichten für Anleiheinvestoren als die Aussicht auf steigende Leitzinsen und schwindende Anleihekäufe der Zentralbanken. Und so verwundert es auch nicht, dass die Kurse von Rentenpapieren seit einigen Wochen beständig fallen und die sich gegenläufig entwickelnden Renditen steigen.
Für zusätzliche Verstimmung bei Anlegern sorgte zuletzt die Verschärfung des Ukraine-Konflikts. Die Fronten zwischen der Nato und Russland haben sich weiter verhärtet und ein Ende der Eskalationsspirale ist momentan nicht absehbar. Vieles scheint möglich und weitere Sanktionen sind wohl unausweichlich. Das Szenario eines Stopps der russischen Gas- und Öllieferungen nach Europa ist denkbar. Die Folge wären weiter steigende Energiepreise, die wiederum die Inflation und die Anleiherenditen zumindest temporär weiter nach oben treiben dürften. In nächster Zeit könnte es also weiter ungemütlich an den Rentenmärkten bleiben, weshalb wir aktuell größere Laufzeitenrisiken in den Rentenportfolien vermeiden. Stattdessen halten wir es weiter für empfehlenswert, auf inflationsgeschützte Anleihen und Rentenpapiere mit vergleichsweise kurzen Laufzeiten, aber attraktiven Renditeaufschlägen zu setzen. Hierzu zählen beispielsweise Unternehmensanleihen mittlerer Bonität aus den Industrie- und Schwellenländern.
Anleger machen um Aktien einen großen Bogen
Die Aktienmärkte haben einen klassischen Fehlstart im neuen Jahr hingelegt. Pünktlich mit dem Jahreswechsel ging es mit den Kursen bergab. Die Talfahrt hat sich nach den jüngsten Äußerungen der US-Notenbank noch beschleunigt. Besonders betroffen sind sogenannte Wachstumswerte, womit Aktien von Unternehmen gemeint sind, deren Gewinne vor allem in ferner Zukunft vermutet werden. Ein prominentes Beispiel sind Technologietitel, deren Leitbarometer, die US-amerikanische Nasdaq 100, seit Jahresanfang rund 13 Prozent verloren hat. Demgegenüber fallen die Kursrückgänge am europäischen Aktienmarkt vergleichsweise überschaubar aus.
Zurzeit machen Anleger offensichtlich aus Sorge vor steigenden Zinsen einen großen Bogen um Aktien. Vorsicht ist in der Tat angebracht, übermäßiger Pessimismus aber nicht. Im Gegenteil: Aktuelle Unternehmensumfragen zeigen, dass die Konjunkturaussichten weiter sehr positiv eingeschätzt werden. Das Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr voraussichtlich überdurchschnittlich hoch ausfallen. Entsprechend erwarten wir für die Entwicklung der Unternehmensgewinne einen Zuwachs im hohen einstelligen Prozentbereich. In diesem Zusammenhang halten wir Aktien aus den Bereichen zyklischer Konsum, Finanzen, Technologie und zunehmend auch Schwellenländeraktien für besonders attraktiv. Auch haben sich die Aktienbewertungen im Zuge der Kurskorrektur der letzten Tage deutlich ermäßigt und handeln nun zumeist nicht mehr auf teuren Niveaus. Die relative Attraktivität von Aktien hat sich dadurch erhöht, und die Kursentwicklung in den kommenden Wochen sollte somit gut unterstützt bleiben. Es ist aber davon auszugehen, dass das Jahr 2022 von weiteren Kursschwankungen geprägt sein wird, da die genannten Risikothemen weiterhin präsent bleiben.
Haftungsausschluss:
Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.
Ansprechpartner für Journalisten:
Pressesprecher Robert Heiduck, (030) 8 97 98 - 388
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