Autor: Alexander Lukas
Finanzmarkt aktuell per 14. April 2022
Alexander Lukas, CFA, Portfoliomanager
Auch zu Ostern bestimmt der Ukraine-Krieg die Nachrichtenlage. Warum die westliche Staatengemeinschaft genauso in einem Dilemma steckt wie die Notenbanken, erfahren Sie in der heutigen Ausgabe von Finanzmarkt aktuell.
Europäische Politik vor schwieriger Entscheidung
Leider können wir auch in der Karwoche, die im Christentum die Gläubigen auf das Leid und Sterben Jesu einstimmt und in der frohen Botschaft der Auferstehung mündet, keine positiven Neuigkeiten vom Krieg in der Ukraine berichten. Im Gegenteil. Die Auswirkungen des völkerrechtswidrigen Angriffs auf das Land verschärfen sich von Woche zu Woche, und es ist kein Ende in Sicht. Neben dem unvorstellbaren humanitären Leid in der Ukraine, das wohl an keinem von uns spurlos vorbeigeht, spürt die restliche Welt die Auswirkungen vor allem in Form von gestiegenen Preisen für Rohstoffe und nun auch für Lebensmittel. Das Gespenst der Stagflation macht die Runde. Dieser Begriff bezeichnet die unselige Mischung aus stagnierendem Wirtschaftswachstum und gleichzeitig steigenden Preisen. Noch erwarten wir, dass die großen und relevanten internationalen Volkswirtschaften auch im Jahr 2022 mit rund drei Prozent wachsen werden. Doch die Wachstumsrisiken nehmen mit jeder Woche zu, die der Krieg andauert und in der neue Sanktionen beschlossen werden. Die europäischen Volkswirtschaften, allen vorweg die deutsche, sind besonders vulnerabel, sollten russisches Gas und Öl ausbleiben. Dieses Szenario ist mittlerweile nicht mehr unrealistisch. Russland wird allem Anschein nach – ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung – seine militärischen und politischen Ziele in der Ukraine durchsetzen wollen und somit die westliche Staatengemeinschaft dazu zwingen, weitere Sanktionen auf den Weg zu bringen. Nach dem nun beschlossenen Embargo gegen russische Kohle ab August ist der Boykott von Öl und dem für uns nach wie vor so wichtigen Gas vermutlich nur noch eine Frage der Zeit. Auch ein Lieferstopp seitens Russlands als Vergeltung für die zahlreichen Sanktionen ist denkbar. Käme es dazu, hätte dies deutlich negative Auswirkungen auf die Wirtschaft, vor allem in Europa. Die westliche Staatengemeinschaft ist somit in einem Dilemma, eine Entscheidung treffen zu müssen zwischen klarer Positionierung gegen den russischen Angriff und dem wirtschaftlichen Preis, den wir letztendlich dafür zahlen müssen.
Dilemma für die Notenbanken
In einem ähnlichen Dilemma sind mehr und mehr auch die Notenbanker. Ihre Aufgabe ist in erster Linie, die Geldwertstabilität zu gewährleisten, also die Inflation im Zaum zu halten. Dafür ist das Mittel der Wahl eine Erhöhung der Zinsen. Die beiden wichtigen Zentralbanken EZB (Europäische Zentralbank) und die Fed (US-Notenbank) haben die Märkte angesichts der Inflation, die sich auf einem 40-Jahreshoch befindet, bereits auf ein Ende der lockeren Geldpolitik der letzten Jahre eingestimmt. Die Fed hat sogar bereits angefangen, die Zinsen anzuheben. Diese Maßnahmen sollen im Normalfall die Geldentwertung einfangen und somit die Wirtschaft vor einer Überhitzung bewahren. Doch ausgerechnet jetzt bremsen sie die Wirtschaftsaktivität zusätzlich, da wir aufgrund der Sanktionen möglicherweise in eine schwache Wirtschaftsphase eintreten werden. Im schlimmsten Fall droht in einigen Ländern eine Rezession. Der Handlungsspielraum der EZB wäre dann begrenzt, möchte sie der Wirtschaft nicht zusätzlich schaden.
Rentenmärkte mit vereinzelten Opportunitäten
Die Nominalrenditen diesseits und jenseits des Atlantiks sind in den vergangenen Wochen aus den geschilderten Gründen spürbar angestiegen, was zu Verlusten am Rentenmarkt geführt hat. Aus unserer Sicht könnten sich erste Opportunitäten bei Anleihen ergeben, wenn die wirtschaftlichen Risiken adäquat eingepreist sind. Derzeit bevorzugen wir aber noch Renten mit einer geringen Restlaufzeit sowie variabel verzinsliche Papiere. Beide Anlageinstrumente sind vor weiter steigenden Zinsen weitestgehend immun. Interessant sind zunehmend auch US-Anleihen, da das Zinsniveau in den USA deutlich höher und somit attraktiver ist. So weisen beispielsweise US-Anleihen mit Laufzeiten bis zu 2 Jahren selbst in Euro währungsgesichert eine Rendite von mittlerweile ca. 1,5% aus. Für durch Negativzinsen geplagte Investoren eröffnen sich somit langsam wieder Anlagemöglichkeiten.
Defensive Aktien im Vorteil
Am Aktienmarkt herrscht naturgemäß Nervosität. Dabei steht eine Vielzahl der Unternehmen gar nicht schlecht da. In Krisenzeiten ist es als Aktionär wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren und sich keinesfalls von Emotionen leiten zu lassen. Vielmehr sollte das Portfolio die Erwartung an die künftige Wirtschaftsentwicklung spiegeln. Wir erwarten aktuell zwar eine stärkere Belastung der europäischen Wirtschaft, aber keine Rezession, und ein stabileres Wachstum in den USA bei fortgesetzt hoher globaler Inflation. Historisch haben sich in vergleichbaren Phasen Unternehmen aus defensiven Branchen aber auch IT-Werte mit soliden Bilanzen und Geschäftsmodellen besser als der Gesamtmarkt entwickelt. Auch Energietitel zeigten sich häufig überdurchschnittlich. Wir präferieren daher aktuell Aktien aus diesen Segmenten. Zyklische Branchen zeigten sich hingegen anfälliger und werden von uns aktuell weniger bevorzugt.
Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern ein frohes Osterfest.
Haftungsausschluss:
Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.
Ansprechpartner für Journalisten:
Pressesprecher Robert Heiduck, (030) 8 97 98 - 388
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