Nachhaltigkeit wieder auf der Agenda

Notenbanken versus Inflation

Globale Risiken bleiben relevant

 

Autor: Martin Zurek
Finanzmarkt aktuell per 14. Januar 2022
Martin Zurek, Portfoliomanager

Martin Zurek

Sich verändern und bessern sind zwei verschiedene Dinge. Eine Erinnerung an dieses Sprichwort zahlt sich nicht nur bei Vorsätzen für das neue Jahr aus, sondern hilft auch, die anstehenden Veränderungen im neuen Jahr realistisch einzuordnen. Lesen Sie in dieser Ausgabe von „Finanzmarkt aktuell“, mit welchen Veränderungen für das Jahr 2022 zu rechnen ist und welche Chancen und Risiken sich hieraus ergeben.

Notenbanken versus Inflation

Nach dem außergewöhnlichen Aufschwung an den Märkten im Jahr 2021 sind die Bedingungen zwar immer noch gut, der Rückenwind hat jedoch abgenommen. Eine der Hauptsorgen für 2022 bleibt die Inflation. Die Einschätzung der EZB, dass es sich bei den steigenden Inflationsraten um einen vorübergehenden Effekt handelt, erwies sich im vergangenen Jahr als zu optimistisch. Inzwischen ist klargeworden, dass die Inflationsraten von mittel- bis langfristigen Faktoren wie dem Anstieg der Rohstoff- und Energiepreise, dem weltweiten Angebotsstau und psychologischen Effekten wie der Angst vor steigenden Preisen beeinflusst werden, was die Zentralbanken dazu bewegt hat, ihre Maßnahmen anzupassen. Der Wechsel in der Geldpolitik birgt insbesondere zwei Risiken: Wenn die Geldpolitik zu aggressiv gestrafft wird, könnte dies einen potenziellen Aufschwung abbremsen. Andererseits könnte ein zu zögerliches Handeln der Zentralbanken einen noch höheren Preisdruck erzeugen, was eine dann noch aggressivere Straffung erfordern würde und wiederum zu einer Verschlechterung der Wachstumsaussichten führte. Im Vergleich zu den USA erwarten wir für die Eurozone im Jahr 2022 ein geringeres Wirtschaftswachstum und auch einen geringeren Preisdruck. Das verschafft der EZB den Spielraum, ihre Geldpolitik behutsamer zu straffen als die US-Notenbank. Die aktuellen EZB-Beschlüsse bestätigen diese langsamere Vorgehensweise. Ein Herunterfahren der Anleihekäufe auf null sowie erste Leitzinsanhebungen sind 2022 nicht zu erwarten.

Globale Risiken bleiben relevant

Es ist damit zu rechnen, dass 2022 das Jahr wird, in dem die letzten Erschütterungen der Pandemie noch zu spüren sein werden. Hierbei gehen wir allerdings davon aus, dass Covid-19 nicht völlig von der Bildfläche verschwindet. Wahrscheinlicher ist der Übergang der Pandemie in den Status einer Endemie, wodurch das Virus zu einem kontrollierbaren, aber dauerhaften Bestandteil unseres Lebens wird. Kurzfristig verursacht die neue Virus-Variante jedoch weiterhin Mobilitätseinschränkungen, die die wirtschaftliche Erholung insbesondere in Europa beeinträchtigt. Trotzdem gehen wir nicht davon aus, dass diese Variante im Vergleich zu früheren Viruswellen eine stärkere oder längere Wachstumsbremse darstellt. Mit der Abnahme der Konzentration auf den globalen Gesundheitsnotstand könnte die Aufmerksamkeit der Finanzmärkte wieder verstärkt auf geopolitische Unruhen gelenkt werden. Mögliche Risiken sind die anhaltenden Spannungen zwischen China und den USA, die zuletzt im Konflikt um Taiwan wieder aufflammten, sowie zwischen Russland und den USA im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt. Zu den politischen Ereignissen gehören neben den Präsidentschaftswahlen in Frankreich und Brasilien auch die Zwischenwahlen in den USA, die zeigen werden, ob die Demokraten die Kontrolle über den Kongress behalten können und ob eine neue Ära des politischen Stillstands abgewendet werden kann.

Nachhaltigkeit wieder auf der Agenda

Im Zuge des Übergangs zur Normalität ist auch eine weitere Verschiebung des Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit zu erwarten. In diesem Zusammenhang rechnen wir damit, dass Umwelt- und Sozialkriterien sowie Aspekte der Unternehmensführung zunehmend in den Mittelpunkt rücken. Kürzlich legte die Europäische Kommission ihren Entwurf zur Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten vor. Nach monatelangem Ringen zwischen den europäischen Staaten sieht der Entwurf unter bestimmten Umständen auch Erdgas- und Kernkraftwerke als „grün“ an. Ungeachtet politischer Interessenskonflikte scheint es sehr wahrscheinlich, dass der Vorschlag angenommen wird. In dieser Form sehen wir den Vorstoß der EU-Kommission sehr kritisch. Insbesondere die Frage nach der Endlagerung bei Atomkraftwerken bleibt weiterhin ungelöst und steht dem Ziel der Kreislaufwirtschaft konträr entgegen. Wir halten diese Wirtschaftsaktivitäten daher für nicht nachhaltig und werden Unternehmen mit einem Umsatzanteil von mehr als 10 Prozent im Bereich der Kernenergie oder der fossilen Energieträger in unseren nachhaltig ausgerichteten Vermögensverwaltung weiterhin konsequent ausschließen.

Haftungsausschluss:

Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.

Ansprechpartner für Journalisten:

Pressesprecher Robert Heiduck, (030) 8 97 98 - 388

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