Autor: Jan Gengel
Finanzmarkt aktuell per 12. Juni 2020
Jan Gengel, CEFA, CIIA, Portfoliomanager
Es knistert so langsam vor Spannung. Werden die großen Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Belebung in der zweiten Jahreshälfte erfüllt oder verpuffen sie und setzen der Rallye an den Märkten ein Ende? Die Kluft aus negativer Realität und hohen Erwartungen könnte nicht größer sein. Wie sich die Situation möglicherweise auflösen kann, lesen Sie in dieser Ausgabe von Finanzmarkt aktuell.
Daten pfui – Hoffnungen hui!
Der Zwiespalt aus großen Erwartungen und sehr negativen Konjunkturdaten erreicht so langsam seinen Höhepunkt. So weisen beispielsweise die gemeldeten Auftragseingänge für Deutschland Rückgänge im Vergleich zum Vorjahr von rund 37 Prozent aus. Nein das war kein Tippfehler, es handelt sich tatsächlich um die gemeldeten Daten für den Monat April. Da die Aufträge heute die Produktion von morgen sind, dürfte es ein steiniger Weg in den kommenden Monaten werden. Vor allem der für Deutschland wichtige Automobilbereich, aber auch der Maschinen- und Anlagenbau stehen vor großen Herausforderungen. In anderen europäischen Ländern sieht die Situation nicht wesentlich besser aus. Was alle eint, ist die Hoffnung auf Besserung. Und zumindest erste Lichtblicke sind hier bei den jüngst gemeldeten Frühsignalen wie beispielsweise einigen Unternehmensumfragen zu vermelden. Bis sich diese Hoffnungen in besseren Daten widerspiegeln, wird jedoch noch ein wenig Zeit vergehen. So werden die Ergebnisse für die bereits erwähnten Aufträge für den Monat Mai erst im Juli veröffentlicht werden. Um die Hoffnungen aufrecht zu erhalten, schauen daher zahlreiche Marktteilnehmer vermehrt auf Daten, die direkt oder kurz nach deren Erhebung zur Verfügung stehen. Hierfür werden zum Beispiel die Anzahl der Besucher in Geschäften oder Restaurants erfasst. Ein weiteres Beispiel ist der LKW-Maut-Index des statistischen Bundesamtes, der die Fahrleistungen der mautpflichtigen Lastkraftwagen erfasst. Diese Indikatoren weisen im Mai höhere Aktivitäten nach dem beinahe Stillstand im März und April auf und deuten auf Besserungen für die kommenden Wirtschaftsnachrichten hin. Alles zusammengenommen sollten die bereits gemeldeten und noch folgenden Daten für den April die Talsohle markieren. Jedoch bedeutet dies nicht, dass es dann steil bergauf gehen wird. Unseres Erachtens dürfte der konjunkturelle Pfad steinig werden, und die einzelnen Länder werden ihn mit unterschiedlicher Geschwindigkeit beschreiten. Vor allem in Europa werden die Unterschiede prägnant werden. Einzelne Länder sollten die Vorkrisenniveaus schon Ende 2021 erreichen und andere südlichere Staaten erst Ende 2022 oder noch später.
Die Notenbanken können nicht alles richten.
Die Märkte scheinen all dies schon sehr frühzeitig vorwegzunehmen und eilen in Richtung der Höchststände aus dem Februar. Steigende Aktiennotierungen und gleichzeitig tiefe wirtschaftliche Einschnitte gehen selten Hand in Hand. Zwar kann die Hoffnung auf Besserung als Begründung dienen, jedoch wirken häufig überlagernde Faktoren. In diesem Fall sind es keine neuen, sondern wie so häufig die Rettungsboje Notenbankliquidität. Diese ist bereits so groß und hell blinkend, dass sie auch aus größter Entfernung am Horizont für jeden sichtbar wird. Dennoch wünschen sich die Marktteilnehmer mehr und mehr Sicherheit für ihre Hoffnungen. In der vergangenen Woche erfüllte die europäische Zentralbank die Wünsche durch eine erhebliche Ausweitung ihrer expansiven Maßnahmen. Die amerikanische Notenbank Fed tat dies am Mittwoch jedoch nicht. Sie bekräftigte zwar die Fortführung ihrer Liquiditätsausweitungen, jedoch ohne eine weitere Erhöhung zu beschließen und sorgte so für Enttäuschung. Auch zeigte der skeptische Wirtschaftsausblick der Notenbank, mit wie viel Unsicherheit die kommenden Monate geprägt sein werden. Hinzu kamen neue Projektionen der OECD, welche nochmals skeptischer für die Weltwirtschaft sind und unsere Erwartung an einen steinigen, langen Pfad leider bestätigten.
Märkte nutzen, aber bitte mit Vorsicht.
Für die auf Hoffnungen basierende Kursentwicklungen ist dies nicht gerade ein Segen. Dies zeigt sich bei Aktien und Anleihen gleichermaßen. Vor allem im Segment der Unternehmensanleihen niedriger Qualität ist der Zwiespalt aus einerseits Sorgen vor steigenden Ausfallraten und andererseits sinkenden Prämien für diese Risiken deutlich zu sehen. Auch wenn wir aktuell die Erholung für unsere Rentenstrategien nutzen möchten, steigt unsere Skepsis gegenüber der sehr positiven Entwicklung der letzten Wochen. Daher raten wir zur Vorsicht und nicht dazu, wegen der vermeintlich höheren Rendite die Ausfallrisiken in Portfolien durch schlechte Qualitäten signifikant zu erhöhen. Empfehlenswert sind dagegen aktive Strategien über Fonds mit kurzlaufenden Papieren, für die die Zahlungsströme relativ gut abzuschätzen sind. Auch für den Aktienbereich möchten wir vor zu viel Euphorie warnen. Zwar haben wir in den vergangenen Tagen unsere Engagements ein wenig erhöht und die Mandate ausgewogener aufgestellt, jedoch sind wir weiterhin defensiv investiert. Neben den wirtschaftlichen Schwierigkeiten halten uns auch die schon wieder hohen Bewertungen davon ab, die Portfolien deutlich offensiver auszurichten. Hierfür würden wir uns ein positiveres Umfeld für die Gewinn- und Umsatzentwicklungen wünschen, sodass die Kursteigerungen nicht allein auf Hoffnungen basieren, sondern auch fundamental untermauert werden.
Haftungsausschluss:
Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.
Ansprechpartner für Journalisten:
Pressesprecher Robert Heiduck, (030) 8 97 98 - 388
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