Autor: Jens Herdack
Finanzmarkt aktuell per 5. Februar 2016
Jens Herdack, CEFA, CIIA, Portfoliomanager
Neulich habe ich nach langer Zeit wieder einmal den Vergleich vom Hund und seinem Herrchen mit der Börse gehört und fand diesen auch für die aktuelle Marktphase wieder sehr passend. Für alle Leser, die den Vergleich von Börsen- Altmeister André Kostolany nicht mehr präsent haben, sei er kurz zitiert: „Das Verhältnis von Börse und Wirtschaft ist wie das eines Mannes auf einem Spaziergang mit seinem Hund. Der Mann geht langsam vorwärts, der Hund rennt vor und zurück.“ Genau dieses Bild zeichnet sich gerade an den Weltbörsen. Die Wirtschaft in den Industrienationen schreitet, allen Unkenrufen zum Trotz, langsam voran. So stieg das Brutto-Inlandsprodukt in den USA im vierten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um solide 1,8 Prozent, der ifo-Geschäftsklimaindex deutet für Deutschland trotz leichten Rückgangs immer noch ein Wachstum von knapp zwei Prozent an, und die Frühindikatoren der europäischen Kommission lassen für Europa ebenfalls ein zwar geringes, aber solides Wachstum erwarten. Die Börsen verhalten sich hingegen aktuell wie ein Hund, der kurzzeitig kehrt gemacht hat und versucht, sein Herrchen zum Umkehren zu bewegen. Die Frage ist, wer am Ende den Weg vorgeben wird. Denn wenn wir uns die aktuellen und die geschätzten Gewinne der Unternehmen in den USA und Europa anschauen, so beobachteten wir zuletzt sogar eine beschleunigte Senkung der Ertragsprognosen für die nächsten Quartale. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Beobachtung, dass die US-Volkswirtschaft vom Konsum getragen wird (Anteil am Brutto-Inlandsprodukt ca. 70%), während beispielsweise die Unternehmensgewinne des US-Aktienindex S&P 500 zu fast 70% aus dem verarbeitenden Gewerbe stammen. Insofern ist es also durchaus denkbar, dass die US-Unternehmen wie der zurückbleibende Hund zwischenzeitlich in eine Gewinnrezession übergehen, während die US-Volkswirtschaft als Herrchen wie beschrieben weiter langsam voranschreitet. Entscheidend wird sein, ob die Gewinnrezession im verarbeitenden Gewerbe das Potential hat, auf die Gesamtwirtschaft überzuschwappen. Denn so wie ein Hund durch beharrliches Ziehen und Zerren sein Herrchen doch irgendwann zum Umkehren bewegen kann, könnte die verarbeitende Industrie trotz vermeintlich geringem Anteil an der US-Wirtschaftsleistung durch Zweitrundeneffekte größere Strahlwirkung entfalten. Schaut man sich die Gewinnrückgänge näher an, dann stellt man ziemlich schnell fest, dass es hauptsächlich die Unternehmen des Energie- und Rohstoffbereiches sind, die die Gesamtwachstumsrate extrem stark nach unten ziehen. Diskussionen um mögliche Insolvenzen von US-Ölförderunternehmen vor dem Hintergrund des niedrigen Ölpreises und damit den Ausfall von Hochzinsanleihen und Bankkrediten zeigen, dass sich die Marktauguren große Sorgen machen, dass eine zunächst losgelöste Entwicklung langsam in die Gesamtwirtschaft wachsen könnte. Noch schlagen aber Massenentlassungen in der Energiebranche nicht auf den Gesamtarbeitsmarkt der USA bzw. den weiter starken Konsum durch.
Denn schließlich stehen auch andere Herrchen bereit, ihre Kollegen mitzuziehen. Die Notenbanken in Europa und Japan zeigen sich weiter bereit, die Wirtschaft durch ihre Maßnahmen zu stimulieren. Nach der europäischen Zentralbank (EZB) hat nun auch die japanische Notenbank (BoJ) einen negativen Einlagenzins eingeführt, um das von Geschäftsbanken bei ihr geparkte Geld in den Markt zu treiben. Auch wird die Wahrscheinlichkeit eines Zinsanhebungsschrittes der US-Notenbank (FED) im März von den Analysten inzwischen wieder geringer gesehen.
Die Rentenmärkte werden von den beschriebenen Kräften weiter in die eine oder andere Richtung gezogen. Während die Renditen von Staatsanleihen zuletzt durch die expansiven Maßnahmen der EZB wieder stark zurückgingen, verzeichnen Unternehmensanleihen aufgrund der Unsicherheit über die Entwicklung der Unternehmensgewinne attraktive Risikoaufschläge. Die weiterhin expansiven Notenbankmaßnahmen und das niedrige, aber stabile Volkswirtschaftswachstum der Industrienationen auf der einen, die Verunsicherung bezüglich der Unternehmensgewinnaussichten, die Wirkung stark gesunkener Rohstoffpreise und der weiteren Entwicklung in den Schwellenländern auf der anderen Seite, halten die Aktienmärkte in ihrem Bann. Mithin ist es unseres Erachtens angeraten, sich ein wenig Pulver trocken zu halten, um einerseits die Schwankungsintensität der Märkte im eigenen Portfolio abzupuffern und andererseits sich bietende Bewertungschancen ergreifen zu können. Denn in einem solch nervösen Marktumfeld ergeben sich auch immer wieder Chancen aus Fehlbewertungen.
Haftungsausschluss:
Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.
Ansprechpartner für Journalisten:
Pressesprecher Robert Heiduck, (030) 8 97 98 - 388
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