Am 1. April muteten die veröffentlichten Wirtschaftsdaten wie ein Aprilscherz an.

Arbeitsmärkte in Turbulenzen

Das gab es noch nie: Ein globales Konzert wirtschaftsunterstützender Maßnahmen in Rekordhöhe

Zwischen Schockstarre und hektischer Betriebsamkeit – die Kapitalmärkte im Findungsprozess

 

Autor: Daniel Schär
Finanzmarkt aktuell per 3. April 2020
Daniel Schär, Direktor Leiter Portfoliomanagement

Daniel Schär

Am 1. April muteten die veröffentlichten Wirtschaftsdaten wie ein Aprilscherz an. Nur leider war es keiner. Die wirtschaftlichen Konsequenzen der COVID-19-Pandemie führen zu immer weiter nach unten revidierten Volkswirtschaftsschätzungen. Die Kapitalmärkte verharren entweder in Schockstarre (Rentenmarkt) oder zeigen ein heftiges Hin und Her (Aktienmärkte). Im heutigen „Finanzmarkt aktuell“ wollen wir uns an einem speziell für Piloten wichtigen Konzept orientieren: Wenn das Wetter undurchsichtig ist, halte Dich an Deine Instrumente! Dementsprechend widmen wir uns heute der Aufgabe, ein wenig Ordnung in die auf uns hereinprasselnden Nachrichten und Zahlen zur COVID-19-Pandemie zu bringen:

Arbeitsmärkte in Turbulenzen

Am deutlichsten lassen sich die Konsequenzen der COVID-19-Pandemie wohl an den Arbeitslosenzahlen in den USA ablesen. Dort stieg die Zahl der Neuanträge auf Arbeitslosenhilfe auf 3,28 Millionen innerhalb der ersten Woche des pandemiebedingten Shutdowns an. Zuvor hatten diese nur rund 200.000 betragen. In der zweiten Woche stieg diese Zahl nun gar auf 6,65 Millionen. Mithin besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass die US-Arbeitslosenquote von einem Rekordtief bei 3,5 Prozent auf ein neues Rekordhoch springen könnte. Einige Analysen sehen den Wert gar auf 10,0 Prozent und damit ein neues Allzeithoch springen. Zum Glück ist der deutsche Arbeitsmarkt anders strukturiert. Dank Kurzarbeitsregelungen kann hier ein solch rasanter Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert werden. Allerdings haben hierzulande bereits 470.000 Unternehmen Kurzarbeitergeld beantragt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kann zwar noch keine genauen Angaben zu der Zahl der davon betroffenen Arbeitnehmer machen, es sei aber davon auszugehen, dass es deutlich mehr werden als zu Spitzenzeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009. Nur an diesen beiden Zahlen ist abzulesen, wie stark die wirtschaftlichen Konsequenzen in den nächsten Monaten wohl ausfallen werden. Immerhin gibt es auch Profiteure der aktuellen „Corona-Panik“. So stiegen die deutschen Einzelhandelsumsätze jüngst um 6,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Das gab es noch nie: Ein globales Konzert wirtschaftsunterstützender Maßnahmen in Rekordhöhe

Auf der anderen Seite versuchen sich die Länder mit allen Mitteln gegen die negativen Folgen des COVID-19-Shutdowns zu stemmen. Eine genaue Erläuterung würde den Rahmen dieser Ausgabe allerdings sprengen. Deshalb hier ausnahmsweise eine bloße Aufzählung der wichtigsten Maßnahmen:

Notenbanken:

  • USA – Die bislang auf 700 Mrd. US-Dollar begrenzten Anleihenkäufe werden ohne Obergrenze ausgeweitet. Die Notenbank wird zukünftig sogar direkt an Unternehmen Kredite vergeben, ohne eine Geschäftsbank dazwischenzuschalten. Bereits Mitte März war der Leitzins auf ein Niveau von 0,0 - 0,25 Prozent abgesenkt und das Volumen für Refinanzierungsgeschäfte für die Geschäftsbanken um 1,5 Billionen US-Dollar ausgeweitet worden.
  • EU – Die Anleihenkaufprogramme wurden auf eine Billion Euro bis Ende 2020 ausgeweitet. Es gibt keine Obergrenze mehr, wie viele der ausstehenden Anleihen eines Landes oder Emittenten aufgekauft werden dürfen.

Regierungen:

  • USA – Die Regierung beschließt direkte Finanzhilfen für Bürgerinnen und Bürger, Verbesserung der Arbeitslosenhilfe, Kreditgarantien etc. im Umfang von zwei Billionen US-Dollar.
  • EU – Auflage eines Bürgschaftsprogrammes der Europäischen Investitionsbank im Volumen von 28 – 40 Mrd. Euro und eine Investitionsinitiative im Gegenwert von 37 Mrd. Euro.
  • Deutschland – Ein Nachtragshaushalt über 156 Mrd. Euro nebst Aussetzung der Schuldenbremse wurde beschlossen. Zusätzlich wurde ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit Staatsgarantien für Unternehmensverbindlichkeiten, direkten Staatsbeteiligungen und KfW Refinanzierungen über 600 Mrd. Euro verabschiedet. Für Klein-Unternehmen wird es Zuschüsse in Höhe von 50 Mrd. Euro geben.

All diese Maßnahmen werden die Wirtschaft unterstützen, allerdings mit Verzögerung. Es zeichnet sich immer mehr ein U-förmiger Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung durch die Virusausbreitung ab. Die ursprüngliche Annahme eines heftigen Konjunktureinbruchs, gefolgt von einer schnellen Aufholbewegung (V-Form) kann durch die nun globale Ausbreitung nicht mehr aufrechterhalten werden. Dies liegt vor allem daran, dass die globalen Absatzmärkte zeitversetzt betroffen sind. So scheint sich die Situation in China zwar zu stabilisieren, und die Industrie produziert wieder, jedoch trifft China auf nahezu geschlossene Märkte in Europa und nun auch in den USA. Ähnlich wird es Europa bei einer Stabilisierung über Ostern gehen, da in den USA der Höhepunkt wahrscheinlich erst später erreicht sein wird. Dass es aber überhaupt zu einer schnellen Aufholbewegung kommen kann, liegt vor allem an dem beherzten Eingreifen der Politik und der Notenbanken. So sind im Vergleich zur Finanzkrise nun nicht nach und nach Maßnahmen beschlossen worden, sondern in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit. Auch bestehen die nun genutzten Instrumente, wie beispielsweise TLTROs oder der ESM, bereits und müssen nicht erst implementiert werden. Auch ist der Kauf von Wertpapieren kein Neuland mehr für die Zentralbanken, sondern geübte Praxis. Viel schwieriger wird es in den kommenden Jahren, überhaupt noch einen Ausstieg aus der Liquiditätsflut zu finden bzw. frühzeitig die Finanzblasen oder Staatsschuldenkrisen zu erkennen, die nun ihren Nährboden haben.

Zwischen Schockstarre und hektischer Betriebsamkeit – die Kapitalmärkte im Findungsprozess

Die Kapitalmärkte können sich offensichtlich aus all den auf sie hereinprasselnden Informationen noch kein rechtes Bild machen. Da sind auf der einen Seite die Rentenmärkte. Hier ist weiterhin ein extremer Schwund von Marktliquidität zu beobachten. Wenn ein Handel zustande kommt, dann nur mit hohen Risikoprämien. Der Markt für Anleihen mit geringer Bonität in den USA muss besonders große Risikoaufschläge hinnehmen, was am großen Anteil von Emittenten aus dem Schieferölsegment liegt. Diese stehen vor dem Hintergrund des in sich zusammengebrochenen Ölpreises besonders unter Druck. In Europa sind die Risikoprämien zwar auch stark angestiegen, scheinen aber noch nicht das ganze Ausmaß der Krise einzupreisen. An den Aktienmärkten zeigen sich hingegen typische Muster eines Bärenmarktes. So war auch in früheren Krisen häufig festzustellen, dass dem starken Absturz immer wieder zwischenzeitliche Aktienrallyes folgten, die sich aber in der Folge mit weiteren Einbrüchen abwechselten. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch aktuell. So folgte beispielsweise dem jähen vierzigprozentigen DAX-Absturz eine über zwanzigprozentige Aufholbewegung, der in den letzten Tagen aber die Luft auszugehen scheint.

Für uns als Piloten in diesem undurchsichtigen Marktumfeld ist es daher wichtiger denn je, uns auf unsere Instrumente zu konzentrieren und nicht der puren Hoffnung oder Depression wegen zu agieren. Im Moment ist noch nicht abzusehen, wie lange sich die COVID-19-bedingten Einschränkungen hinziehen werden. Dass die volkswirtschaftlichen und unternehmerischen Zahlen in den nächsten Wochen noch einmal deutlich verschlechtern werden, scheint so gut wie sicher. Allerdings stehen auf der anderen Seite mächtige Akteure in Gestalt der Notenbanken und Staaten bereit, mit historisch beispiellosen Summen die Wirtschaft vor dem Kollaps zu bewahren. Dementsprechend agieren wir weiter vorsichtig und halten einen deutlichen Teil des uns anvertrauten Kapitals in Liquidität. Gleichzeitig nutzen wir aber die sich immer wieder bietenden Chancen zu selektiven Käufen. Denn eines haben uns historische Krisen immer wieder gelehrt: Am dunkelsten ist die Nacht vor der Dämmerung.

Haftungsausschluss:

Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.

Ansprechpartner für Journalisten:

Pressesprecher Robert Heiduck, (030) 8 97 98 - 388

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