Corona(in)flation: Tabubruch in der Geld- und Fiskalpolitik

Wirtschaft & Trends
Oktober 2020

 

Autor: Jan Gengel
ist Direktor der Weberbank und seit 2006 als Portfoliomanager im Bereich Vermögensverwaltung verantwortlich für das Rentenmanagement und die Kapitalmarktanalyse des Hauses. Als gelernter Bankkaufmann werden seine beruflichen Erfahrungen durch die akademischen Abschlüsse als Diplom-Volkswirt der Humboldt Universität zu Berlin, Certified European Financial Analyst (CEFA) und Certified International Investment Analyst (CIIA®) abgerundet.

Jan Gengel

Kommt sie oder kommt sie nicht, das ist hier die Frage, bei der sich die volkswirtschaftlichen Geister scheiden. Die Rede ist von der Inflation. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 haben viele Zentralbanken, aber allen voran die amerikanische Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank EZB, ihre  Geldpolitik erst gelockert und sich dann einen Wettlauf mit ihren expansiven Maßnahmen geliefert. Trotz der sehr niedrigen, teils negativen Zinsen und der überdimensionierten Anleihekaufprogramme gelang es nicht, einen nachhaltigen Anstieg der Verbraucherpreise für Güter zu erreichen. So lagen die Inflationszahlen nur phasenweise über dem angestrebten Niveau von zwei Prozent, und dies auch nur, wenn Ölpreisanstiege dies verursacht hatten. Von sprunghaften Preisanstiegen oder gar galoppierenden Inflationsdaten, wie von manchen Ökonomen befürchtet, war nichts zu sehen. Lediglich die Preise für Vermögenswerte wie Aktien oder Immobilien haben einen deutlichen Anstieg gezeigt. Aber gilt das auch für die vor uns liegende Zeit? Bisher wurde die inflationäre Wirkung expansiver Geldpolitik durch die restriktive Fiskalpolitik verringert. Doch ist es hier zu einem Paradigmenwechsel gekommen – dem Abschied von der Sparpolitik.

Seit der globalen COVID-19-Krise steigen die Sorgen über preissteigernde Effekte, obwohl die bisher gemeldeten Daten wenig Anlass zur Sorge geben. Im Gegenteil, die Pandemie führte nochmals zu geringeren Verbraucherpreisen, was sich vor allem in den intensiven Nachfrage- und Angebotsschocks begründet. Für steigende Inflation wäre jedoch einerseits eine das Angebot übersteigende Nachfrage notwendig. Oder andererseits müsste sich die Herstellung von Gütern und Dienstleistungen verteuern, da beispielsweise die Produktionskosten steigen. Passiert ist das Gegenteil. So ging die Nachfrage in einzelnen Branchen deutlich zurück, und die hergestellten Güter, zum Beispiel Maschinen oder Automobile, wurden kaum noch gekauft. Gleichzeitig brachen Rohstoffpreise durch den Rückgang der Verkehrsaktivitäten ein und verstärkten die sinkenden Preiseffekte. Diesen enormen Verwerfungen traten sowohl Notenbanken als auch Regierungen entschieden entgegen. Nahezu alle größeren Zentralbanken schöpfen ihre geldpolitischen Instrumente zur Stützung der wirtschaftlichen Entwicklung aus. Allein die EZB hat ein Corona- Anleihenkaufprogramm mehr als 1,35 Billionen Euro aufgelegt. So werden global in Rekordgeschwindigkeit Billionen Euro, US-Dollar und andere Währungen den Märkten als Liquidität zur Verfügung gestellt. Größenordnungen, die vorherige Programme klein erscheinen lassen.

Dazu kommt die Finanzpolitik. Spätestens seit der Staatsschuldenkrise prägte staatliche Sparpolitik die konjunkturelle Entwicklung und das Inflationsumfeld der Eurozone. Dies hat sich nun grundlegend geändert. Schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme zur Stützung des Arbeitsmarkts, zur Steigerung der Konsumaktivitäten oder zur Finanzierung von Investitionen wurden nicht nur diskutiert, sondern befinden sich bereits in der Umsetzung. Fiskal- und Notenbankpolitik wirken somit nicht mehr gegensätzlich, sondern unterstützen sich. Dies ist der entscheidende Unterschied zu den vergangenen Jahren. Sollten die Maßnahmen wirklich zu einer Aufholbewegung führen, ist die Wahrscheinlichkeit für höhere Inflation größer denn je. Vor allem wenn Staaten und Notenbanken nicht rechtzeitig anfangen, ihre Ausgabenfreude wieder zu drosseln, sondern versuchen, ihre ausufernden Schulden durch steigende Inflation zu verringern beziehungsweise zu entwerten. Ein beliebter staatlicher Ansatz, da er keine Sparpolitik erfordert.

Anlegern empfehle ich daher, schon heute in ihren Portfolios auch auf den Schutz vor der Geldentwertung zu achten. Instrumente hierfür müssen nicht lange gesucht werden. So boten in vergangenen Perioden neben inflationsgeschützten Anleihen die Klassiker Immobilien, Gold und Aktien einen guten Inflationsschutz – Sachwerte sind Trumpf!

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