Autor: Jan Gengel
Jan Gengel ist Direktor der Weberbank und seit 2006 als Portfoliomanager im Bereich Vermögensverwaltung verantwortlich für das Rentenmanagement und die Kapitalmarktanalyse des Hauses. Als gelernter Bankkaufmann werden seine beruflichen Erfahrungen durch die akademischen Abschlüsse als Diplom-Volkswirt der Humboldt Universität zu Berlin, Certified European Financial Analyst (CEFA) und Certified International Investment Analyst (CIIA®) abgerundet.
2022 wird in den Geschichtsbüchern der Finanzmärkte ein ganz besonderes Kapitel einnehmen: Die Entwicklung an den internationalen Anleihenmärkten sucht seinesgleichen. Bedingt durch die drastischen Zinserhöhungen der amerikanischen Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank EZB zur Eindämmung des Inflationsschocks, sind die Renditen von Anleihen in 2022 in die Höhe gesprungen. Dadurch stieg beispielsweise die Nominalrendite, die Rendite vor Abzug der Inflation, für eine 10-jährige Bundesanleihe von minus 0,2 auf 2,6 Prozent.
Die Besonderheit festverzinslicher Wertpapiere liegt in der entgegengesetzten Preisbewegung. So sorgen steigende Renditen für Kursverluste und umgekehrt. Im Beispiel der 10-jährigen Bundesanleihe entstand ein Minus von rund 20 Prozent. Solch dramatische Preisbewegungen treten bei Anleihen äußerst selten auf. Für vergleichbare Entwicklungen müssen wir schon zurück zur großen Weltwirtschaftskrise der 1920er-Jahre schauen. Doch war auch damals die Bewegung nicht so heftig wie im vergangenen Jahr, sodass 2022 aus meiner Sicht ohne jede Übertreibung als der Crash des Jahrhunderts bezeichnet werden kann.
Die Ursache ist aber nicht allein der enorme Renditeanstieg. Der zweite Grund für die historisch hohen Verluste lag an der Ausgangssituation – der Zeit der Null- oder Negativzinsen. Ohne eine Basisverzinsung bedeutet jeder noch so kleine Renditeanstieg sofortige Verluste. Bedingt durch die immer expansiver agierenden Zentralbanken, sind im Jahr 2014 die Renditen der ersten Anleihen in den negativen Bereich gefallen. Dies steigerte sich bis 2020, als Wertpapiere im Gegenwert von rund 18 Billionen US-Dollar negative Renditen aufwiesen und Investoren den garantierten Verlust akzeptieren mussten – und das noch vor Abzug der Inflation. Eine Situation, die vor 2014 nahezu unvorstellbar war. Aber nun kommen wir zu der positiven Botschaft: Durch die dramatische Korrektur des vergangenen Jahres sollte die Phase der Negativzinsen vorerst vorbei sein.
Das Volumen der Anleihen mit einer negativen Rendite ist auf nahezu null gesunken. Ganz im Gegenteil bieten festverzinsliche Wertpapiere wieder recht auskömmliche Erträge, und das sogar im Vergleich zur Dividendenrendite von Aktien. Anleihen sind wieder eine wirkliche Alternative geworden, zumindest vor Abzug der Inflation. Nach wie vor befinden wir uns in einem Umfeld erhöhter Preissteigerungen. Und ich befürchte, dass es uns auch noch eine Zeit lang erhalten bleibt. Die aktuellen Entwicklungen deuten auf geringere Inflationsraten in den kommenden Monaten hin. Vor allem die abnehmende Wirkung der Energieschocks des vergangenen Jahres in Europa begünstigt diese Entwicklung.
Jedoch kühlt sich die Wirtschaft nur recht langsam ab, und dadurch ist der Arbeitsmarkt weiterhin wie leer gefegt. Das aktuelle Umfeld wirkt zu wenig preisbremsend. Daher dürften sich die Inflationsraten zwar von den Schocks aus dem Jahr 2022 erholen, jedoch über den Zielen der Geldpolitik bleiben. Die EZB könnte dadurch gezwungen sein, ihre Zinsen auf erhöhten Niveaus zu belassen und nicht wieder schnell zu senken. Das Gute daran ist: Anleihen bieten wieder Renditen, und daran sollte sich kurzfristig auch nichts ändern. Endlich tragen sie wieder zu einer Verbesserung der Rendite-Risiko-Profile von Portfolios bei und sollten daher für diversifizierte Anlagestrategien vermehrt genutzt werden.
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