Das „Next Big Thing“ der Fondsindustrie – ELTIF 2.0

Nachgefragt
März 2024

 

 

 

Jens Herdack
CEFA, CIIA, Portfoliomanager der Weberbank, im Interview.

Foto Jens Herdack

Herr Herdack, am Markt hört man immer häufiger, ELTIF 2.0 sei das „Next Big Thing“ der Fondsindustrie. Was verbirgt sich dahinter?

ELTIF steht für European Long-Term Investment Fund und könnte in der Tat völlig neue Investitionssegmente für Privatanlegerinnen erschließen. Denn mit dieser Art von Investmentfonds ist es möglich, in Anlagen zu investieren, die an keiner Börse gelistet sind. Bisher waren Privatpersonen meist auf die Geldanlage in Aktien oder Anleihen beschränkt. Mit ELTIFs erhalten sie Zugang zu einem Marktsegment, das bislang nur millionenschweren Investoren und Gesellschaften zugänglich war.

An welche Segmente denken Sie dabei?

Es wird geschätzt, dass weltweit circa 58 000 Unternehmen an Aktienmärkten gehandelt werden. Global existieren aber mehr als 300 Millionen Unternehmen. Bisher war es meist nur Private-Equity-Fonds von Großinvestoren vorbehalten, auch in nicht börsennotierte Unternehmen zu investieren. Dem Privatanleger blieb das in der Regel verwehrt. Nehmen Sie als Beispiel den deutschen Mittelstand. Da gibt es viele Weltmarktführer, die nicht an der Börse gelistet sind, und genau in sie konnten Privatpersonen bisher nicht investieren.

Das bedeutet, ELTIFs vergrößern den Markt für die, die in Unternehmen investieren wollen. Gibt es darüber hinaus weitere Bereiche, die mithilfe dieser Investmentfonds für private Investorinnen erschlossen werden können?

Durchaus. Eine der Hauptstoßrichtungen der EU bei der Einführung der ELTIF-Strukturen lag im Umbau Europas hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Mithilfe der neuen Fondskategorie werden nun auch Infrastrukturprojekte für Investoren attraktiv. Das wird vom Solarpark über Windkraft bis hin zu Straßen und Versorgungstrassen reichen. Grundsätzlich bietet die ELTIF-2.0-Verordnung viele Freiheiten, in welche Art von realen Werten investiert werden kann. Die Streuung ihrer Anlagen, die viele Vermögende bisher schon direkt, beispielsweise mit dem Kauf von Kunstwerken, Uhren oder Oldtimern, vorgenommen haben, kann nun nochmals erweitert werden.

Und was bedeutet 2.0?

Die den ELTIFs zugrunde liegenden Regelungen existieren bereits seit 2015. Seitdem wurden aber nur wenige Fonds aufgelegt, da es einige Hürden für potenzielle Investoren gab. Die schwache Verbreitung der ELTIF-Strukturen hat die EU zum Anlass genommen, die Verordnung zu überarbeiten. Seit Januar ist es deutlich einfacher, in diese Art von Anlagen zu investieren.

Ist denn jetzt schon abzusehen, dass die Neuregulierung wirklich mehr Anlageprodukte hervorbringen wird als bisher?

Die Weberbank hat eine lange Tradition in der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Fondsgesellschaften. Somit erkennen wir Trends in der Regel sehr früh. Seit einigen Monaten wächst die Zahl der Gesellschaften, die uns zu diesem Thema kontaktieren und die Auflage entsprechender Investmentfonds im nächsten Jahr planen. Wir behalten die Entwicklung für unsere Kundinnen und Kunden im Blick und werden sie diesbezüglich auf dem Laufenden halten.

Jens Herdack ist Direktor der Weberbank und als Portfoliomanager mit Schwerpunkt Aktien- und Rohstofffonds sowie alternative Investments tätig. 2002 zur Weberbank gekommen, verfügt er über Erfahrung im Wertpapier- und Derivatesegment seit 1998. Als gelernter Bankkaufmann werden seine beruflichen Erfahrungen durch die akademischen Abschlüsse als Diplom-Kaufmann (FH) der HTW Berlin, Certified European Financial Analyst (CEFA) und Certified International Investment Analyst (CIIA®) abgerundet.

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