Autor: Sören Wiedau
Finanzmarkt aktuell per 26. Mai 2023
Sören Wiedau, CEFA, Portfoliomanager
Die Aktienmärkte haben sich vor dem Hintergrund einer restriktiven Geldpolitik, nachlassender Konjunktur, hoher Inflation und der Möglichkeit eines Zahlungsausfalls der USA erstaunlich robust gezeigt. Der deutsche Aktienindex (DAX) konnte sogar zeitweise ein neues Allzeithoch erreichen. Der Schuldenstreit in den USA bleibt weiterhin das zentrale Thema des Marktgeschehens. In unserem aktuellen Finanzmarktbericht erfahren Sie mehr über die potenziellen Auswirkungen auf die Finanzmärkte, die zu erwartenden Zinssenkungen seitens der Zentralbanken und den aktuellen Stand der Aktienmärkte.
Ein Ende der Zinsanstiege?
Angesichts der weltweit hohen Inflationsraten haben die Zentralbanken in kurzer Zeit ihre Leitzinsen deutlich erhöht. Unsere Einschätzung ist, dass die amerikanische Notenbank (Fed) mit der jüngsten Zinserhöhung auf 5,25% möglicherweise den Höhepunkt ihres Straffungsprozesses erreicht hat. Die Inflationsrate ist unter anderem aufgrund gesunkener Energiepreise rückläufig. Gleichzeitig übernimmt die restriktivere Kreditvergabe der Banken teilweise die Aufgaben der Notenbanken. Daher erscheint es vernünftig für die US-Notenbank, vorerst abzuwarten, um die Auswirkungen der massiven Zinserhöhungen auf die Wirtschaft und die Inflation in den kommenden Monaten zu beobachten. Der Markt erwartet zwei Zinssenkungen bis zur Fed-Sitzung Mitte Januar 2024. Wir sind jedoch etwas skeptischer und der Meinung, dass die Fed zunächst eine Pause einlegen wird, um die gesamtwirtschaftliche Lage zu bewerten, bevor sie weitere Schritte unternimmt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat das Tempo der Zinserhöhungen zuletzt gedrosselt und scheint sich ebenfalls dem Ende des Zinserhöhungszyklus zu nähern. Da Europa den USA in Bezug auf Konjunktur, Inflation und Zinszyklus eine gewisse Zeit hinterherhinkt und das Bankensystem in der Eurozone bisher keine Anzeichen von Stress zeigt, halten wir weitere zwei bis drei Zinsanhebungen durch die EZB für wahrscheinlich.
5 vor 12 für die Anhebung der US-Schuldenobergrenze
Nachdem US-Finanzministerin Janet Yellen am 1. Mai den Kongress darüber informiert hat, dass die US-Regierung voraussichtlich Anfang Juni nicht mehr in der Lage sein wird, allen finanziellen Verpflichtungen rechtzeitig nachzukommen, rückt die Schuldenobergrenze wieder in den Fokus der Finanzmärkte. Bei einem Nichtanheben der Schuldenobergrenze würde den USA die Zahlungsunfähigkeit drohen. Die genauen Auswirkungen eines Zahlungsverzugs sind schwer abzuschätzen, jedoch könnte das Szenario von August 2011 als Beispiel dienen, als es erst in letzter Sekunde zu einer Einigung kam. Damals führten die Turbulenzen dazu, dass die Ratingagentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit der USA herabstufte. Der amerikanische Aktienmarkt verzeichnete einen Rückgang von fast 20%, und die Risikoaufschläge, insbesondere bei Unternehmensanleihen geringer Bonität, weiteten sich aus. Es ist daher im Interesse der US-Politiker, ein solches Szenario zu vermeiden, insbesondere angesichts bevorstehender wirtschaftlicher und geopolitischer Herausforderungen. Eine vorübergehende Aufschiebung der Entscheidung über die Schuldenobergrenze könnte eine vorläufige Lösung sein, während Verhandlungen über den Haushalt stattfinden. Ohne einen parteiübergreifenden Kompromiss, der wahrscheinlich moderate Kürzungen bei den Staatsausgaben beinhaltet, wird es schwierig sein, eine Einigung zu erzielen. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Politiker ein Zahlungsausfallrisiko nicht eingehen möchten und letztendlich die Schuldenobergrenze anheben werden. Bis dahin müssen sich die Marktteilnehmer auf volatile und nervöse Märkte einstellen.
Ruhe vor dem Sturm
Die Beruhigung im US-Bankensektor und die Hoffnung auf eine Einigung über die Anhebung Schuldenobergrenze in den USA wirkten sich zunächst positiv auf die Aktienmärkte aus. Gleichzeitig verlief die Berichtssaison in Amerika und Europa besser als von den meisten Analysten erwartet, was vor allem auf die überraschend robuste Weltwirtschaft im ersten Quartal 2023 zurückzuführen ist. Allerdings verzeichnet der wichtigste Markt, die USA, erstmals seit zwei Jahren eine negative Jahresveränderungsrate der Gewinne. Die Ausblicke der Unternehmen sind überwiegend verhalten, aber noch nicht so schlecht, dass wir eine Gewinnrezession bei den Unternehmen erwarten. Es gibt jedoch uneinheitliche Konjunktursignale, die zu einer vorübergehenden Konsolidierung der Aktienmärkte führen könnten. Darüber hinaus besteht das Risiko von Marktverwerfungen im Zusammenhang mit dem Streit um das US-Schuldenlimit, falls keine Einigung erzielt wird. Trotz dieser belastenden Faktoren überwiegen unserer Meinung nach die mittelfristig positiven Argumente für die Aktienmärkte. Das Ende des Zinserhöhungszyklus der Notenbanken, ein positiver Gewinntrend bei den Unternehmen und mittelfristig sinkende Inflationsraten sollten dafür Unterstützung bieten.
Haftungsausschluss:
Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.
Ansprechpartner für Journalisten:
Pressesprecher Robert Heiduck, (030) 8 97 98 - 388
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