Notenbanken bremsen die Inflation ein.

11 Freunde sollt Ihr sein

Showdown im Wirtschaftsministerium – Uniper wird verstaatlicht

„Und wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her“

 

Autor: Jens Herdack
Finanzmarkt aktuell per 23. September 2022
Jens Herdack,  CEFA, CIIA, Portfoliomanager

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Showdown der Notenbanken. Nicht weniger als 11 Notenbanken haben wir gezählt, die diese Woche über ihre weitere Vorgehensweise entschieden haben, und dabei ging der Trend an fast allen Orten hin zu restriktiven Maßnahmen, um die Inflation einzubremsen. Das heutige Finanzmarkt aktuell gibt einen Einblick in die jüngsten Entwicklungen.

„11 Freunde sollt Ihr sein

… um Siege zu erringen.“, heißt das Zitat, das wohl jeder von uns Sepp Herberger zuschreiben würde. In Wirklichkeit hat es aber wohl der deutsche Fußballtrainer Richard Girulatis – von dem ich persönlich noch niemals etwas gehört hatte – in seinem Buch „Theorie, Technik, Taktik“ schon 1920 geprägt. Vielleicht denkt sich derzeit auch so mancher Notenbanker, dass es schön wäre, einen solch universellen Ratgeber zu besitzen, der einem verrät, welche Taktik in der aktuellen Phase gegen die stark steigende Inflation zum Sieg verhelfen könnte. Zumindest der im Fußball-Zitat gepredigte Zusammenhalt scheint aber schon zu stimmen. Denn in dieser Woche schickten sich nicht weniger als 11 Notenbanken an, ihren weiteren geldpolitischen Kurs zu verkünden. Mit einem um einen vollen Prozentpunkt auf 1,75 Prozent angehobenen Leitzins setzte die Schwedische Notenbank gleich zum Auftakt ein deutliches Zeichen. Die mächtige US-Notenbank Fed schloss sich am Mittwoch mit einer Erhöhung um 0,75 Prozent – und damit schon ihrem fünften Zinsschritt in diesem Jahr – an. So schnell hat sie lange nicht agiert. Weder die Zinserhöhungszyklen 1983, 1987, 1994, 1999, 2004, noch der von 2015 kamen auch nur annähernd an das aktuell vorgelegte Tempo heran. Durch den gemeinsamen Trend der Notenbanken, die Zinsen zu erhöhen, waren schon zu Beginn der Woche 60 Prozent aller Zinsstrukturkurven global invertiert, d. h. die Zinsen für kurze Laufzeiten lagen über denen der langen Laufzeiten. Historisch war dies in der Regel ein Indikator für bevorstehende Rezessionen. Dass zumindest Europa in eine Rezessionsphase eintritt, wird inzwischen auch nur noch von den wenigsten bezweifelt. Da Europa sowohl von der bremsenden Geldpolitik als auch der geopolitisch ausgelösten Energiekrise getroffen wird, während die US-Wirtschaft primär nur durch ihre Notenbank eingebremst wird, befürchten wir, dass Europa in eine deutlichere Rezession abrutschen wird. In den USA dürfte der Verlauf hingegen milder ausfallen, sofern die Fed-Vertreter mit ihren restriktiven Maßnahmen nicht übertreiben.

Showdown im Wirtschaftsministerium – Uniper wird verstaatlicht

So hatte sich Robert Habeck seine Karriere als Minister sicherlich nicht vorgestellt. Als permanenter Feuerwehrmann weltweit auf der Suche nach Gaslieferanten muss er nun auch noch die Verstaatlichung des größten deutschen Gaszwischenhändlers Uniper in die Wege leiten. Zusätzlich zu den hohen Preisen, die Deutschland für das Ausstechen anderer Interessenten am weltweiten Gasmarkt zahlen musste, kommen nun weitere Milliarden auf den Bundeshaushalt zu, um 99 Prozent der Uniper-Anteile zu übernehmen. Und die nächsten brennenden Häuser warten schon auf den Minister. Die regionalen Gasversorger ringen ums Überleben. Mittelständler und Handelstreibende leiden ebenfalls unter der hohen Inflation infolge der drastisch gestiegenen Energiekosten. Nein, mit diesem Minister möchte wohl aktuell niemand tauschen, zumal der Produzentenpreisanstieg – also die Kosten der Unternehmen für ihre eigene Beschaffung – am Montag mit einem unglaublichen Jahresanstieg von 45,8 Prozent gemeldet worden war.

„Und wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her“

Bei all der gedrückten Stimmung und den dauernd auf uns hereinbrechenden schlechten Nachrichten sollten Investoren jetzt aber nicht den Fehler machen und ihr heutiges Handeln nur an der aktuellen Lage orientieren. Denn die Börsen preisen nicht das Hier und Jetzt. Vielmehr sind sie ein Spiegel der zukünftigen Erwartungen. So können wir historisch beobachten, dass die Aktienmarkttiefs in der überwiegenden Zahl der Fälle vor den konjunkturellen Tiefs erreicht werden und dann schon wieder recht bald eine erwartete Erholung einpreisen. Man kann es gar nicht oft genug wiederholen: Angst ist ein schlechter Ratgeber! Das heißt aber nicht, dass Anleger aktuell einfach investiert bleiben und keinerlei Reaktion zeigen sollten. Vielmehr präferieren wir derzeit unter anderem Unternehmen aus dem Segment des Basiskonsums, deren Geschäfte in einer wirtschaftlichen Eintrübung nicht so stark getroffen werden. Auch Versicherungswerte profitieren von den wieder gestiegenen Zinsen. Ungeliebt, aber doch im aktuellen Umfeld aussichtsreich, bleiben unseres Erachtens Energietitel. Für zinssuchende Anleger bieten sich endlich auch wieder Chancen. So sollte die Phase der Nullzinsen endgültig beendet sein. Wer zinsbringende Anlagen sucht, wird nun wieder fündig. Wir empfehlen dabei zunächst noch kurze Laufzeiten zu wählen, um sich nicht der Gefahr von weiteren Kursrückgängen durch noch weiter steigende Zinsen auszusetzen. Da lange Laufzeiten derzeit keine wesentlich höheren Renditen bieten als Kurzläufer, erwächst daraus aber auch kein Renditenachteil. Nicht falsch beraten ist sicherlich auch, wer vor dem Hintergrund der drohenden Rezession zunächst Papiere von Unternehmen mit höherer Qualität bevorzugt. Mit selektiven Käufen kann man sich inzwischen tatsächlich wieder ein attraktives Portfolio aus Anleihen aufbauen. Wer hätte das vor einem Jahr gedacht?

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