Globale Konjunktur zieht deutlich an

Die USA und China boomen sich aus der Krise

Steigende Inflation und ein geldpolitisches „Basta“

Der Frühling kommt – und auch die Dividende

Autor: Marthel Edouard
Finanzmarkt aktuell per 23. April 2021
Marthel Edouard, Portfoliomanager

Marthel Edouard

Frühlingszeit ist Dividendenzeit, China ist der Wachstums-Star im zweiten Corona-Jahr und die Europäische Zentralbank sagt „Basta“ zur Diskussion über steigende Zinsen. Die Anleger haben zurzeit wieder einiges zu verarbeiten. Eine Einordnung der aktuellen Situation lesen Sie in dieser Ausgabe von Finanzmarkt aktuell.

Die USA und China boomen sich aus der Krise

Wichtige Konjunkturindikatoren lieferten in den letzten Wochen bereits einen Vorgeschmack darauf, was sich in der abgelaufenen Handelswoche mal wieder eindrücklich zeigte. Die USA und China haben die Covid-19-Pandemie wirtschaftlich hinter sich gelassen und präsentieren sich als die beiden Wachstumslokomotiven der Weltwirtschaft. So verzeichnete das Wirtschaftswachstum in China im ersten Quartal 2021 einen fulminanten Anstieg von rund 18% im Jahresvergleich. Als eine Ursache für die ungewöhnlich starken Zuwächse sehen Ökonomen die niedrige Vergleichsbasis zu Beginn des Vorjahres, als China nach dem Ausbruch des Coronavirus scharfe Kontrollmaßnahmen ergriffen und Fabriken geschlossen hatte. Der Außenhandel erholte sich aber schon seit der zweiten Jahreshälfte 2020 wieder kräftig und trägt nun stärker als erwartet zur Erholung der chinesischen Wirtschaft bei. Kräftige Unterstützung leisteten hierbei auch die US-amerikanischen Verbraucher, die dank staatlicher Geldleistungen ihre Konsumausgaben im April weiter erhöhten und damit die US-Importe chinesischer Produkte erneut ankurbelten. Die USA sind Chinas wichtigster Handelspartner. Daran hat sich auch nach vier Jahren politischer Eiszeit unter dem ehemaligen US-Präsidenten Trump nichts geändert. Und so kann man konstatieren, dass sich beide Länder aktuell gemeinsam aus der Krise boomen und andere Länder wie Deutschland mitziehen, getreu dem Motto: Wo etwas importiert wird, sind meistens auch deutsche Exporte mit im Spiel.

Steigende Inflation und ein geldpolitisches „Basta“

Die jüngsten Inflationsdaten für die USA und den Euroraum sprechen eine klare Sprache: Die Teuerungsraten steigen seit Wochen kontinuierlich an. Aus wirtschaftlicher Sicht kann das positiv gewertet werden, denn es zeigt sich, dass der Konjunkturoptimismus der letzten Monate nicht unbegründet war und sich allmählich in den realen Wirtschaftsdaten niederschlägt. So weit, so gut, wenn da nicht noch die Sache mit den Zinsen wäre: Die für den europäischen Rentenmarkt richtungsweisende Rendite der 10-jährigen deutschen Bundesanleihe bewegt sich unbeeindruckt von den Konjunkturdaten seit Ende Februar nicht vom Fleck. Das ist mehr als ungewöhnlich, weil doch eine ökonomische Faustregel besagt, dass Inflations- mit Zinsanstiegen einhergehen sollten. Ein solches Verlaufsmuster lässt sich aktuell gut in den USA beobachten, wo steigende Konsumausgaben einen natürlichen Preisdruck entwickelt haben, der wiederum zu steigenden Kapitalmarktzinsen im längeren Laufzeitenbereich geführt hat. Warum geschieht das momentan nicht auch in Europa? Bei genauerem Hinsehen werden zwei Dinge deutlich, die eine starke Bremswirkung für die Zinsen im Euroraum entfalten. Zum einen ist der Preisdruck hierzulande geringer als in den USA. Der Hauptgrund für die Zinsflaute dürfte aber vielmehr bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zu suchen sein. Ungeachtet guter Konjunkturdaten verharrt die europäische Geldpolitik weiterhin im Notfallmodus aus 0% Leitzins, milliardenschweren Anleihekäufen und, neuerdings auch, verbalen Interventionen, wenn die Kapitalmarktzinsen mal eine gewisse Aufwärtstendenz zeigen. Letzteres kann man auch als geldpolitisches „Basta“ der EZB bezeichnen, wodurch eine Diskussion unter Anlegern über eine veränderte EZB-Politik möglichst frühzeitig im Keim erstickt werden soll. Damit ist das Thema aber wohl nicht vom Tisch – im Gegenteil: Eine verschobene Diskussion hat das Potential, zu einem späteren Zeitpunkt umso hitziger geführt zu werden. Spätestens im Herbst muss die EZB dann wohl Farbe bekennen und erklären, wie sie angesichts einer verbesserten Konjunktur gedenkt, den geldpolitischen Normalisierungspfad einzuschlagen und Zinssteigerungen im längeren Laufzeitenbereich zuzulassen. Das wird kein leichtes Unterfangen und erfordert kommunikatives Fingerspitzengefühl von den Währungshütern. Klar ist eins: Die nächsten Monate werden spannend am Rentenmarkt und könnten für Bewegung sorgen. Anleger sollten es daher vermeiden, aktuell größere Laufzeitenrisiken bei Anleihen einzugehen und stattdessen darauf setzen, erfolgte Zinsanstiege schrittweise für Anleihekäufe zu nutzen.

Der Frühling kommt – und auch die Dividende

Frühlingszeit ist Dividendenzeit in Europa. Auch wenn bei vielen Unternehmen die genaue Dividendenhöhe erst noch auf den jeweiligen Hauptversammlungen beschlossen werden muss, scheint so gut wie sicher: Der Dividendenrückgang des schwierigen Corona-Jahres 2020 ist vorbei. In diesem Jahr zeigen sich die Unternehmen wieder spendabler und schütten kräftig aus. Die erwarteten Dividendenzahlungen für 2021 liegen in Europa bei rund 359 Milliarden Euro und demzufolge knapp vier Prozent über dem bisherigen Rekordjahr 2018. Obwohl die europäischen Banken ihre Ausschüttungen auf Empfehlung der Bankenaufsicht vermutlich weiter niedrig halten werden, dürfte es wohl zu einem neuen Dividendenrekordjahr für Aktionäre europäischer Unternehmen kommen. Die höheren Dividendenausschüttungen werden möglich, weil die Unternehmen die Corona-Krise langsam aber sicher hinter sich lassen und die globale Konjunktur deutlich anzieht. In diesem Umfeld verdienen die Unternehmen wieder prächtig und profitieren von den nach wie vor niedrigen Zinsen.
Setzt man die Dividendenzahlungen ins Verhältnis zu den Aktienkursen, so erhält man die Dividendenrendite. Diese dürfte für den europäischen Leitindex MSCI Europe in diesem Jahr bei ca. 3,5 Prozent liegen und für US-Aktien immerhin auch noch bei rund 2,4 Prozent. Das ist bemerkenswert, sind doch die Aktienkurse in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Man kann daraus schlussfolgern, dass es den Unternehmen kontinuierlich gelingt, ihre Dividendenausschüttungen im Gleichschritt mit den Kursen nach oben anzupassen. Eine gute Nachricht, die uns dazu bewegt, Aktien in einem Portfolio weiterhin hoch zu gewichten und auf Qualitätstitel mit attraktiven Dividenden zu setzen.
Wie attraktiv die Dividendenrenditen aktuell sind, zeigt sich aber erst so richtig im Vergleich mit festverzinslichen Wertpapieren. Im weltweiten Durchschnitt zahlen große Unternehmen ihren Gläubigern rund 1,1 Prozent. Selten war die Diskrepanz zwischen Dividendenrenditen und Anleiherenditen so groß wie heute. Die Aktienanleger wird es freuen und Anleiheinvestoren dürften vor Neid erblassen.

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