Schon fast zwei Monate sind vergangen seit dem historischen Referendum in Großbritannien, das den Ausstieg des Landes aus der Europäischen Union besiegelte.

Europa: Trügerische Ruhe

Aktien: Als wäre nichts gewesen

Renten: Weiterhin sehr niedrige Renditen

 

Autor: Alexander Lukas
Finanzmarkt aktuell per 19. August 2016
Alexander Lukas, CFA, Portfoliomanager

Alexander Lukas

Schon fast zwei Monate sind vergangen seit dem historischen Referendum in Großbritannien, das den Ausstieg des Landes aus der Europäischen Union besiegelte. In der Zwischenzeit ist im Vereinigten Königreich politisch viel passiert. Überraschend schnell wurde eine neue Premierministerin gefunden, während prominente Brexit-Befürworter wie der Londoner Ex-Bürgermeister Boris Johnson ebenso überraschend einen Rückzieher gemacht haben. Bis heute aber wurde kein formeller Austrittsantrag gestellt und es scheint, als ob niemand so recht derjenige sein möchte, der diese Verantwortung übernimmt. Man erkauft sich lieber Zeit, und über den Sommer hat sich nun eine trügerische Ruhe in Europa breitgemacht, zumal außer in Großbritannien selbst noch keine Auswirkungen in den Wirtschaftskennzahlen der wichtigen europäischen und amerikanischen Handelspartner sichtbar sind. Selbst viele Stimmungsindikatoren zeigen außerhalb Großbritanniens keine beängstigende Verschlechterung. In Deutschland fiel zum Beispiel der ifo- Geschäftsklimaindex im Juli nur leicht unter das Vormonatsniveau, bleibt aber immer noch höher als im Mai. Das deutsche Wirtschaftswachstum des zweiten Quartals war in der Erstschätzung mit 1,8 Prozent sogar besser als erwartet, in Europa hielt es sich mit 1,6 Prozent stabil. Das alles führt zu einer gewissen Beruhigung. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Brexit-Verhandlungen hart und langwierig werden und sich das letztendlich auch in den Stimmungsindikatoren zeigen wird. Die Konsequenzen eines Brexit, zum Beispiel aufgrund von Investitions- und Konsumzurückhaltung, können sich dann auch in den Wachstumszahlen negativ niederschlagen. Dabei wird Europa aufgrund der engen Handelsverflechtungen sicherlich stärker betroffen sein als die USA und der Rest der Welt. Von einem Wirtschaftseinbruch gehen wir aber auch in Europa nicht aus.

Es ist gut möglich, dass mit Aufnahme konkreter Ausstiegsverhandlungen auch die Unsicherheit an den Kapitalmärkten wieder steigen wird. Zurzeit wirkt es am Aktienmarkt so, als wäre nichts gewesen. Der Brexit-Schock ist längst verdaut, die Schwankungen gering und die Märkte eilen von Hoch zu Hoch. Während die US-Leitindizes sogar neue Rekordstände erreicht haben, konnte hierzulande im DAX der seit April letzten Jahres andauernde Abwärtstrend verlassen werden. Rückenwind kam dabei von der Berichtssaison zum zweiten Quartal, obwohl die Unternehmen sowohl in den USA als auch in Europa weniger verdienten als noch vor einem Jahr. Aktienanalysten hatten schlichtweg einen noch stärkeren Gewinnrückgang erwartet, sodass viele Firmenchefs diesseits und jenseits des Atlantiks nun positiv überraschen konnten. Den entscheidenden Impuls gaben die Ausblicke, die trotz Brexit, Terrorängsten und unterdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums von der Mehrzahl der Unternehmen bestätigt oder sogar angehoben wurden. Firmen, die pessimistischer als zuvor auf das laufende Geschäftsjahr blicken, waren die Ausnahme. Die Stimmung an den Aktienmärkten ist nun nahezu euphorisch, was oft kein gutes Zeichen ist. Nicht ins Bild passt in diesem Zusammenhang die unveränderte Nachfrage nach Gold – eigentlich ein Anzeichen für ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis der Anleger. Für das zweite Halbjahr bleibt abzuwarten, ob der positive Aktientrend anhalten wird oder sich doch die Folgen des Brexits und der Terroranschläge in den Geschäftszahlen und Ausblicken niederschlagen werden. Ein Übergewicht in US-Aktien bleibt ratsam.

Im zweiten Halbjahr blicken wir auch auf die Notenbanken, insbesondere die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB), deren Geldpolitik sich in unterschiedliche Richtungen bewegt. Letztere hat ihre expansiven Maßnahmen zuletzt nicht ausgeweitet, sich aber die Möglichkeit offen gehalten, das Anleihekaufprogramm über den März nächsten Jahres hinaus so lange zu verlängern, bis die Inflationserwartungen auf dem gewünschten Niveau sind. Auch eine Ausweitung der kaufbaren Anleihen steht im Raum, da mittlerweile viele Papiere die Kaufkriterien nicht mehr erfüllen oder schlichtweg kaum noch zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere, weil die Rendite vieler Anleihen unterhalb des Einlagenzinssatzes von minus 0,4 Prozent liegt. Diese Verwerfungen am Rentenmarkt werden sich vorerst nicht nachhaltig auflösen können, solange die EZB stetig kauft. Eine Diskussion über ein Ende des Kaufprogramms und damit steigende Renditen steht möglicherweise Ende des Jahres ins Haus. Attraktiv im Vergleich zu Staatsanleihen oder Pfandbriefen sind im aktuellen Rentenumfeld vor allem Unternehmensanleihen mittlerer bis schlechter Bonität, wobei gerade bei letztgenannten das Ausfallrisiko kaum noch adäquat vergütet wird. Interessanter werden zunehmend Schwellenländeranleihen, deren Risikoprämien auf höherem Niveau liegen. Die Restlaufzeit sollte überwiegend kurz gewählt werden, um vor Renditeanstiegen besser geschützt zu sein.

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