Der Euro hat diese Woche die Marke von 1,10 US-Dollar geknackt .

Währungen: Euro mit Rückenwind

Aktien: Europäische Aktien präferiert

Schwellenländer: Chancen nutzen, Minenfelder vermeiden

 

Autor: Johannes Flieckenschildt
Finanzmarkt aktuell per 19. Mai 2017
Johannes Flieckenschildt, Portfoliomanager

Johannes Flieckenschildt

Der Euro hat diese Woche die Marke von 1,10 US-Dollar geknackt und danach sogar noch weiter aufgewertet. Damit trotzt er allen Anstiegsphantasien der amerikanischen Währung, die nach der dortigen Wahl die Runde machten. Selbst die Parität, also ein Wechselkurs von 1:1, schien bis vor Kurzem nicht mehr ausgeschlossen. Das Blatt hat sich aber nun gewendet. Liegt das aber tatsächlich am Euro, oder ist schlichtweg die Schwäche des US-Dollars ausschlaggebend? Bei genauerer Betrachtung ist es eine Mischung aus beidem. Die Enttäuschung über das zähe Fortschreiten der Reformagenda Donald Trumps, der dabei immer wieder durch Possen politischen Rückhalt eingebüßt hat, lastet auf dem US-Dollar. Konjunkturell ist die Dynamik in den USA zwar nach wie vor hoch, die geringe Arbeitslosigkeit von 4,4 Prozent unterstreicht das. Nichtsdestotrotz ist die Inflationsdynamik in den USA zuletzt schwächer gewesen, so dass auch von dieser Front die US-Dollar-Schwäche befeuert wurde. Auf der anderen Seite steht die Stärke des Euros, der maßgeblich vom Verschwinden der Risiken in der Eurozone profitiert hat – die Wahl in Frankreich ist hier natürlich hauptverantwortlich gewesen. Unter dem Strich spricht bis dato also insbesondere politisch eine Menge für das Erstarken des Euros. Für den Blick nach vorne aber wird für das Währungspaar entscheidend sein, was von den beiden Zentralbanken, der Fed und dem europäischen Pendant, der EZB, auf uns zukommt. Sollte nämlich die EZB früher als erwartet ihr Anleihekaufprogramm zurückfahren, dessen Verlängerung über 2017 hinaus noch aussteht, hat der Euro sicherlich weiteres Aufwertungspotential. Denn ein erster Schritt in Richtung Normalisierung der Geldpolitik würde ausländische Investoren wieder stärker den Euro nachfragen lassen. Am wahrscheinlichsten sehen wir derzeit an, dass sich der Euro im oberen Bereich des Seitwärtsbandes zwischen 1,05 und 1,15 US-Dollar bewegt; dort, wo sich das Währungspaar seit Anfang 2015 aufhält.

Gerade für deutsche Anleger, die amerikanische Aktien halten, ist die Schwäche des US-Dollars unerfreulich, sinkt doch so der Wert der Anlagen in Euro gerechnet. Und selbst wenn man die Währungseffekte außer Acht lässt, sehen wir auf dem amerikanischen Aktienmarkt derzeit weniger Kaufgelegenheiten als in Europa und den Schwellenländern. Das hat auch mit den Bewertungen zu tun, die in den USA bereits auf hohen Niveaus sind. Anders ausgedrückt: Amerikanische Aktien sind derzeit teuer. „Teuer“ meint hier das Verhältnis von Aktienkurs zum erwarteten Gewinn. Schaut man den Gesamtmarkt in Europa an, ist der zwar auch nicht günstig bewertet, aber es finden sich hier einige interessante Kaufgelegenheiten, insbesondere innerhalb des deutschen Leitindexes DAX. Zudem mindert man bei Investitionen in den europäischen Aktienmarkt die Risiken, die vom Enttäuschungspotential der US-Regierung ausgehen. Gerade die Nachrichten rund um die Entlassung des FBI-Chefs Comey und die Russlandkontakte des Trump- Wahlkampfteams dominieren derzeit die Schlagzeilen und sorgen immer wieder für Rückschläge am US-Aktienmarkt.

Die Aktienmärkte in den Schwellenländern bieten eine weitere interessante Alternative zum US-Markt. Dabei ist es aber ratsam, etwaige Minenfelder zu umschiffen. In China beispielsweise sehen wir, dass die Aktien auf dem Festland in den vergangenen Wochen enorm unter einer Welle neuer Regularien gelitten haben, die die Behörden zum Eindämmen der Schattenbankenaktivitäten eingeführt haben. Hätte man vor einem Monat in die größten festlandchinesischen Aktien investiert, hätte man rund fünf Prozent Verlust gemacht. Dagegen hat der Aktienindex, der einen Großteil der Hongkonger Börse abbildet, gut 1,6 Prozent zugelegt. Grund für die Divergenz ist der Status Hongkongs als Sonderverwaltungszone, die relativ unabhängig von der strengen Regulierung auf dem chinesischen Festland ist. Ein anderes Beispiel ist Brasilien. Das Land befindet sich seit 2014 in einer Rezession, und der Staatshaushalt ächzt unter einer hohen Ausgabenlast. Nach der Amtsenthebung Dilma Rousseffs versucht nun der aktuelle Präsident Michel Temer mit einem ambitionierten Reformplan, die Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen. Die Anleger haben das mit steigenden Kursen brasilianischer Unternehmen honoriert. In dieser Woche zeigt sich aber erneut, wie fragil die politische Lage in dem südamerikanischen Land ist. Nachrichten über Tonbandaufnahmen des aktuellen Präsidenten sollen beweisen, dass er in einen Korruptionsskandal verwickelt ist, der das Potential hat, ihn aus dem Amt zu bringen und damit möglicherweise auch seine Reformpläne zu verhindern. Die Märkte haben dementsprechend mit starken Verlusten reagiert. Beide Beispiele zeigen, dass es wichtig ist, besonders selektiv in den Schwellenländermärkten vorzugehen, auch wenn sich die konjunkturellen Voraussetzungen aufgehellt haben und die Bewertungen attraktiv sind.

 

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