Wirtschaftsentwicklung: USA hui, Europa pfui?

Gegensätze: Politischer Wunsch und geldpolitisches Ziel stehen sich unversöhnlich gegenüber

China: Nicht nur der Wachstumsmotor Europas, sondern auch der Wachstumsmotor der Welt stottert

Börsen: US-Aktienmarkt bleibt dominant, Staatsanleihen attraktiv verzinst

 

Autor: Jens Herdack
Finanzmarkt aktuell per 15. September 2023
Jens Herdack,  CEFA, CIIA, Portfoliomanager

Foto Jens Herdack

Die Erwartungen für das Wirtschaftswachstum in den USA und Europa klaffen immer weiter auseinander. Die Stimmung in Europa ist dementsprechend sowohl bei Investoren, als auch bei Verbrauchern mies. Wie kam es zu dieser diametralen Entwicklung, und auf welche Signale sollten Investoren verstärkt achten? Wir gehen im neuen „Finanzmarkt aktuell“ auf Spurensuche:

Wirtschaftsentwicklung: USA hui, Europa pfui

Schätzungen sehen für die US-Wirtschaft aktuell ein Wachstum von soliden 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für Europa zweifelt hingegen niemand mehr am weiteren Weg in die Rezession. Die Frühindikatoren, die zu einer solchen Einschätzung leiten, sehen aber auch wirklich alles andere als rosig aus. So gingen die Einkaufsmanagerindizes sowohl für den Dienstleistungssektor als auch das produzierende Gewerbe weiter zurück. Die Auftragseingänge der Industrieunternehmen Deutschlands brachen gar um über 11 Prozent gegenüber dem Vormonat ein, und die hiesige Industrieproduktion wurde statt mit einem erwarteten Rückgang gegenüber dem Vormonat um -0,4 nun tatsächlich mit -0,8 Prozent vermeldet.

Gegensätze: Politischer Wunsch und geldpolitisches Ziel stehen sich unversöhnlich gegenüber

Kein Wunder, dass die deutsche Politik bei solchen Entwicklungen deutlich nervöser wird. So forderte Kanzler Scholz nun jüngst einen Deutschlandpakt, um Europas Wachstumsmotor Deutschland wieder in Gang zu bekommen. Über seine Vorgehensweise kann man sicherlich streiten. Richtig ist jedoch, dass es deutlicher Maßnahmen bedarf, um die diversen Baustellen in unserem Land anzugehen. Das Ankurbeln der Wirtschaft gestaltet sich aktuell allerdings schwierig, weil die Europäische Zentralbank (EZB) derzeit genau das Gegenteil anstrebt. Sie will mit ihren Leitzinsanhebungen die europäische Wirtschaft abbremsen, um ihrerseits die hiesige Inflation zu bekämpfen. So erhöhte sie gestern ihren Leitzins erneut um 0,25 Prozent auf nunmehr 4,5 Prozent. EZB Präsidentin Christine Lagarde betonte zudem, dass die Dauer der Beibehaltung eines erhöhten Zinsniveaus abhängig von der weiteren Entwicklung der wirtschaftlichen Kennzahlen bleibt und noch nicht prognostiziert werden könne. Politischer Wunsch und geldpolitisches Ziel stehen sich also aktuell unversöhnlich gegenüber.

China: Nicht nur der Wachstumsmotor Europas, sondern auch der Wachstumsmotor der Welt stottert

Während mit Deutschland der Wachstumsmotor Europas stottert, kämpft auch Chinas Volkswirtschaft weiter mit zahlreichen Baustellen. Das Wort „Baustellen“ ist hier auch direkt in seiner ursprünglichen Bedeutung zu verstehen. Der Immobiliensektor, der je nach Statistik, historisch für ca. 1/3 der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes stand, treibt der „Kommunistischen Partei“ (KP) weiter Schweißperlen auf die Stirn. Zwar konnte das jüngste Sorgenkind, der riesige Immobilienentwickler Country Garden, eine ausgefallene Zinszahlung nachholen und sich mit inländischen Gläubigern auf eine Verlängerung der Frist für die Rückzahlung von Anleihen einigen. Der Sektor selbst steckt aber immer noch in einer tiefen Krise, die die KP mit diversen Maßnahmen in den Griff zu bekommen versucht. Dabei versucht auch sie einen Spagat: Einerseits will sie die chinesische Volkswirtschaft von ihrer Abhängigkeit gegenüber dem Immobiliensektor wegentwickeln. Andererseits fehlt ihr aber die Unterstützungswirkung aus vielen anderen Wirtschaftssegmenten. So bleibt die Jugendarbeitslosigkeit landesweit bei über 20 Prozent und auch die Konsumenten zeigen sich derzeit eher zurückhaltend. Die politische Auseinandersetzung mit dem Westen belastet zusätzlich.

Börsen: US-Aktienmarkt bleibt dominant, Staatsanleihen attraktiv verzinst

Analog zur Wirtschaft entwickelte sich der US-Aktienmarkt besser als seine Pendants in Europa und den Schwellenländern. Er bleibt zwar deutlich teurer bewertet, dafür bietet er Zugang zu Unternehmen, die in einem deutlich vorteilhafteren wirtschaftlichen Umfeld agieren. Trotz Rezessionsthematik verharren die Risikoaufschläge von europäischen Unternehmensanleihen auf erstaunlich niedrigem Niveau, weshalb wir uns eher auf langlaufende Staatsanleihen und Schuldtitel Supranationaler Organisationen wie der Europäischen Investitionsbank oder des Europäischen Stabilitätsmechanismus konzentrieren.

Haftungsausschluss:

Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.

Ansprechpartner für Journalisten:

Pressesprecher Robert Heiduck, (030) 8 97 98 - 388

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