Bonitätseinschätzung USA – was nun?

Geldpolitik – mehr Unsicherheit statt Klarheit

Berichtssaison – trotz rückläufiger Gewinne leicht positiv

Downgrade der USA – bald Junkbonds?

 

 

Autor: Jan Gengel
Finanzmarkt aktuell per 11. August 2023
Jan Gengel, Portfoliomanager, CEFA, CIIA

Jan Gengel

Auch wenn wir uns hoffentlich alle noch im Ferienmodus befinden, geben die Finanzmärkte einfach keine Ruhe. Über die Nachwehen der Notenbanksitzungen, die auf Hochtouren laufende Berichtssaison bis hin zu der Ratingverschlechterung der USA hatten die Marktteilnehmer einiges zu verarbeiten. Unsere Interpretation der jüngsten Nachrichten lesen Sie gern im neuen „Finanzmarkt aktuell“.

Geldpolitik – mehr Unsicherheit statt Klarheit

In den vergangenen beiden Wochen wirkten die beiden Notenbankensitzungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Federal Reserve Bank (FED) nach. Grundsätzlich wäre ausreichend Zeit für eine Bewertung gewesen. Doch die Marktteilnehmer scheinen weiterhin uneins in ihren Interpretationen und vor allem den Schlussfolgerungen für die kommenden Entscheidungen. Von „es sind noch weitere Schritte zu befürchten“ über „das war es jetzt mit den Zinserhöhungen“ bis hin zu „Hoffnungen auf baldige Leitzinssenkungen“ sind alle Meinungen vertreten. Daher wurden die nächsten volkswirtschaftlichen Daten mit großer Spannung erwartet. Richtungsweisend hätten die Inflationsdaten in Europa und der Arbeitsmarktbericht in den USA sein können, stellen diese doch wichtige Entscheidungsgrundlagen für die Notenbanken dar. Doch auch diese Ergebnisse gaben viel Raum für Spekulation und weniger Klarheit. So zeichnet sich in den USA zwar eine abnehmende Dynamik bei den Beschäftigtenzuwächsen ab, jedoch liegt die Arbeitslosenquote mit 3,5 Prozent auf rekordniedrigem Niveau, und gleichzeitig steigen die Löhne immer noch rasch an. Daher fühlten sich alle Marktakteure in ihren jeweiligen Sichtweisen bestätigt. Gleiches gilt für die Preisentwicklung in der Eurozone. So ist die Gesamtinflationsrate im Juli zwar von 5,5 auf 5,3 Prozent gesunken, jedoch blieb die wichtige Kernrate unverändert bei 5,5 Prozent. Diese spiegelt die Verbraucherpreise ohne die schwankungsintensiven Energie- und Nahrungsmittelpreise wider. Je nach Betrachtungsweise würden die Daten daher sowohl für weitere Zinserhöhungen oder sogar mögliche Lockerungen sprechen. Unseres Erachtens überwiegen die Argumente für eine anhaltend restriktive Geldpolitik, in der die ein oder andere Zinserhöhung noch möglich ist, aber Leitzinssenkungen erst einmal nicht zu erwarten sind.

Berichtssaison – trotz rückläufiger Gewinne leicht positiv

Neben der Geldpolitik galt es die auf Hochtouren laufende Berichtssaison in Europa und den USA zu verdauen. Insgesamt weisen die Ergebnisse ein leicht positives Bild auf. Jedoch lagen die Hürden für erfreuliche Überraschungen auch sehr niedrig. Nachdem die Erwartungen – wie so oft – im Vorfeld gesenkt worden waren, konnten die Unternehmen in den USA die Gewinnschätzungen in rund 80 Prozent der Fälle übertreffen. Euphorie wollte dennoch nicht so recht aufkommen, da es sich trotzdem um Gewinnrückgänge handelte und die Unternehmen eher vorsichtig auf die kommenden Monate blicken. Auch in Europa zeigten sich die Ergebnisse leicht besser als befürchtet. Jedoch gab es auch hier genügend negative Meldungen, welche einer Stimmungsverbesserung entgegenstanden. Während die Daten des Finanzsektors eher glänzten, enttäuschten vor allem Unternehmen aus den Bereichen Rohstoffe und Energie. Neben niedrigen Rohstoffpreisen belastete der stärkere Euro, die schwächelnde Wirtschaft und natürlich die restriktive Geldpolitik die Entwicklungen. Die insgesamt rückläufigen Gewinne waren jedoch im Vorfeld bereits befürchtet worden und von den Aktienmärkten überwiegend eingepreist. Die teils deutlicheren Kursrückgänge liegen daher in einem anderem Ereignis begründet – der Ratingverschlechterung der USA.

Downgrade der USA – bald Junkbonds?

Für einen deutlicheren Dämpfer an den Märkten sorgte die überraschende Verschlechterung der Bonitätseinschätzung der USA durch die Ratingagentur Fitch. Diese hat ihr Rating von „AAA“ um eine Stufe auf nun „AA+“ gesenkt. Von den drei großen Ratingagenturen Standard & Poor’s, Fitch und Moody’s bescheinigt nur noch letztere den USA die höchste Kreditqualität. Begründet wurde die Entscheidung mit dem steigenden Haushaltsdefizit, der ausufernden Staatsverschuldung und den zunehmenden politischen Blockaden wie beispielsweise bei der Anhebung der US-Schuldenobergrenze. Auch wenn die USA noch weit davon entfernt sind, als sogenannte „Junkbonds“ beziehungsweise „Ramschanleihen“ zu gelten, erhöhte die Ratingverschlechterung die Zweifel, ob US-Staatsanleihen weiterhin ihren Status als „sicherer Hafen“ behalten werden. Die Unsicherheit führte neben rückläufigen Aktienkursen auch zu einem deutlicheren Renditeanstieg und das nicht nur in den USA. Obwohl Bundesanleihen in diesem Umfeld eigentlich hätten profitieren sollen, zeigten auch sie fallende Kurse und dementsprechend steigende Renditen. Wir beobachten die aktuelle Entwicklung mit großer Spannung und würden die unseres Erachtens vorübergehenden Verwerfungen für den Kauf länger laufender Anleihen hoher Qualität nutzen. Vor allem Papiere von supranationalen Institutionen oder quasi staatlichen Emittenten weisen höhere Attraktivität auf.

Haftungsausschluss:

Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.

Ansprechpartner für Journalisten:

Pressesprecher Robert Heiduck, (030) 8 97 98 - 388

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