"Welle" war das Schlagwort der letzten Wochen

Eine schwache blaue Welle in den USA

Die Welle brechen

Auf der Welle reiten

 

Autor: Björn Hallex
Finanzmarkt aktuell per 6. November 2020
Björn Hallex, CEFA / CIIA, Portfoliomanager

Björn Hallex

„Welle“ war das Schlagwort in den letzten Tagen und Wochen. Mal soll sie gebrochen, mal auf ihr geritten und dann soll sie auch noch blau werden. Welche Auswirkungen haben die Wahlen in den USA, der Teil-Lock-Down in Europa und die aktuell laufende Unternehmens­berichtssaison? Unsere Einschätzung dazu lesen Sie in der heutigen Ausgabe von Finanzmarkt aktuell.

Eine schwache blaue Welle in den USA

Es sollte eine starke blaue Welle werden im Wahlkampf der USA und damit ein klarer, dominanter Sieg der Demokraten. Es sieht bis zum Redaktionsschluss hingegen eher nach einem zarten Schwappen und einer Zitterpartie aus, als nach einer klaren Entscheidung. Wieder einmal lagen die Meinungsforscher mit Ihren Prognosen daneben. Spannend bleibt es bis zum Schluss. Trump proklamierte, wie im Vorfeld bereits angekündigt, in einem sehr frühen Stadium seinen Sieg und machte deutlich, worauf wir uns in den kommenden Wochen einstellen werden müssen – Rechtsklagen und Streitigkeiten. In nächster Zeit werden Juristen beider Seiten den Briefwahlprozess, Stimmzettel oder Auszählungen anfechten bzw. für ungültig erklären, was zu einer allgemeinen Unsicherheit führen wird. Ausschlaggebend sind bei dieser Wahl wieder die sogenannten Swing-States, die in ihrem Wahlverhalten weder klar den Demokraten noch den Republikanern zugeordnet werden können. Der Sieger in diesen Bundesstaaten bekommt jedoch alle Wahlstimmen zugerechnet. Donald Trump konnte hier, beispielsweise in Florida, überraschend Punkten und hat damit das Rennen um das Präsidentenamt offengehalten. Joe Biden punktete, wie erwartet, gerade in den urbanen Regionen und bei den Briefwählern. Aus diesem Grund ist der Ausgang noch offen. Wenn die Gerichte nicht alles kippen, werden wir ein demokratisches Weißes Haus und einen Präsidenten Joe Biden in den nächsten vier Jahren erleben. Durchregieren wird Biden bei einem Wahlsieg jedoch nicht können. Die Wahlen zum Kongress spielen hier eine entscheidende Rolle. Im Repräsentantenhaus verbleibt die Mehrheit zwar weiterhin bei den Demokraten, im Senat scheint jedoch das Kopf-an-Kopf-Rennen zugunsten der Republikaner entschieden zu werden. Somit wird ein zukünftiger demokratischer Präsident Biden nicht „ungeliebte“ Gesetze gegen den Willen der Republikaner verabschieden können. Dieser gemäßigte Politikstil, der einerseits mehr Stabilität und Verlässlichkeit und andererseits auch keine Kehrtwende in vielen wichtigen Punkten der Wirtschaftspolitik ermöglicht, wird von den Kapitalmärkten als positives Szenario interpretiert und lies die Kurse weltweit steigen. In Summe dürften die wirtschaftsunterstützenden Faktoren überwiegen. In unseren Augen ist es jedoch zu früh, sich zu freuen, uns könnte eine wochenlange Zitterpartie bevorstehen.

Die Welle brechen

Weiter hält uns die Entwicklung der globalen Covid-19-Fallzahlen mit erstarkenden Ansteckungswellen in Europa und den USA in Atem. Zu beobachten ist, wie unterschiedlich Entwicklungen sein können. So sehen wir gerade im asiatischen Raum sehr niedrige Fallzahlen und damit eine stärkere wirtschaftliche Erholungsphase. Gerade China zeigt eine beeindruckende Stärke. Das hat viel mit der kulturellen und gesellschaftspolitischen Einstellung zu tun. Auch abseits der Pandemie gibt es wichtige Entwicklungen. Mit dem gerade beschlossenen neuen 5-Jahresplan möchte die zweitgrößte Volkswirtschaft mehr auf Qualität anstatt auf Quantität setzen und strebt an, das BIP-Pro-Kopf in der nächsten Dekade auf das Niveau der Industriestaaten anzuheben. Forschung und Bildung werden stärker gefördert. Zeitgleich sollen die hohen Sparquoten der chinesischen Bevölkerung durch Anreize zum Konsum reduziert werden sollen. Somit geht China zunehmend einen eigenen Weg zur Abkopplung von Abhängigkeiten gegenüber anderen Wirtschaftsregionen und stärkt damit seine Entwicklung von innen heraus. Blicken wir wieder auf die USA und Europa, so steigen die Infektionszahlen weiter an, so dass erste Lock-Down-Maßnahmen gerade in unserer Region vollzogen wurden. Damit wird der Pfad der wirtschaftlichen Erholung ausgebremst. Einen deutlichen Schock wie im Frühjahr erwarten wir nicht. Allerdings wird das vierte Quartal zumindest für Europa wohl keinen Wachstumsbeitrag liefern können, da die Voraussetzungen für ein konsumunterstützendes Umfeld schwächer ausfallen. Aus diesem Grund hat die europäische Notenbank bereits angekündigt, alle unterstützenden Instrumente zu prüfen. Wir erwarten den nächsten Schritt im Dezember mit der Ausweitung des Pandemie-Notfall-Ankaufprogramms, sowohl zeitlich um ein weiteres halbes Jahr, als auch im Volumen. Auch in den USA steigen die Kapazitätsauslastungen in den Krankenhäusern. Erfreulicherweise sehen wir in den wirtschaftlich wichtigen Regionen wie Kalifornien, Florida und New York noch keine Entwicklung wie im Frühjahr, so dass sich noch kein bremsender Faktor zeigt. Wirtschaftlich unterstützen sollte, dass nach derzeitigem Stand der US-Wahlen, die Forderung Bidens deutlich höherer Steuersätze, wie im Wahlprogramm angekündigt, nicht kommen wird. Aus Fiskalpolitischer Sicht dürfte der Umfang eines neuen Pandemie-Hilfspaketes ebenfalls kleiner ausfallen als ursprünglich gefordert. Wichtiger ist jedoch, dass es endlich neue Maßnahmen gibt. Der republikanische Mehrheitsführer im Senat hat hier bereits seine Unterstützung zu einem Hilfspaket angekündigt hat. Auch die US-Klimapolitik sollte sich ändern. Joe Biden hat bereits angekündigt, das aufgekündigte Pariser Klimaabkommen wieder zu unterzeichnen und ein neues Ziel der CO2-Reduzierung auszurufen.

Auf der Welle reiten

Wie in wirtschaftlichen Erholungsphasen nach Rezessionen häufig zu beobachten, waren die Erwartungen der Analysten an die Gewinnentwicklung der Unternehmen zu gering angesetzt. Die Hürde für die berichtenden Unternehmen war folglich niedrig angesetzt. So konnten über 90% der US-Unternehmen und 70% der europäischen Unternehmen die Gewinnschätzungen für das dritte Quartal übertreffen. Damit fällt die Berichtssaison besser als ursprünglich erwartet aus! Dennoch halten sich weiterhin viele Investoren vom Aktienmarkt fern, da der wirtschaftliche Ausblick alles andere als gesichert ist. Kursaufschwünge werden aktuell stark von spekulativen privaten Anlegern getragen, was an den schwachen Zuflüssen im Aktiensegment festzustellen ist. Trotz der ein oder anderen punktuellen Übertreibung bei einzelnen Unternehmen sehen wir aber die mittelfristige Gesamtmarktentwicklung positiv. Haupttreiber der großen Welle, auf der Anleger reiten sollten, sind weiterhin die außergewöhnlichen Stützungsmaßnahmen der Staaten und Notenbanken. Unterstützt dürfte aus unserer Sicht, auch durch den beschriebenen Wahlausgang, weiterhin der amerikanische Aktienmarkt, und hier vor allem der Technologie- und Pharmasektor, sein. Weitere attraktive Anlagesegmente, die in ein breit aufgestelltes internationales Portfolio gehören, sind für uns auch südeuropäische Staatsanleihen sowie asiatische Schwellenländeranleihen.

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Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.

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Pressesprecher Robert Heiduck, (030) 8 97 98 - 388

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