Autor: Jan Gengel
ist Direktor der Weberbank und seit 2006 als Portfoliomanager im Bereich Vermögensverwaltung verantwortlich für das Rentenmanagement und die Kapitalmarktanalyse des Hauses. Als gelernter Bankkaufmann werden seine beruflichen Erfahrungen durch die akademischen Abschlüsse als Diplom-Volkswirt der Humboldt Universität zu Berlin, Certified European Financial Analyst (CEFA) und Certified International Investment Analyst (CIIA®) abgerundet.
Weltweit verfestigt sich das Wachstum. Ungeachtet mancherlei Risiken läuft die Konjunktur in nahezu allen großen Regionen der Welt rund. So geht der internationale Währungsfonds nunmehr für dieses und das kommende Jahr von einem Wachstum um die 3,5 Prozent aus. Damit erhöht sich die Dynamik nicht nur im Vergleich zu den vergangenen 5 Jahren, sondern sie liegt auch wieder auf dem langfristigen Durchschnitt. Und dabei wird das Profil der globalen Entwicklung sogar ausgewogener. Das Tempo in Europa und Japan kann zulegen. So zahlen sich die Reformen der vergangenen Jahre vor allem in Südeuropa langsam aus. In China beginnen die staatlichen Eingriffe über Investitionsprogramme zu wirken und das Wachstum stabilisiert sich. Und in den USA haben die Gefahren einer Überhitzung deutlich abgenommen. Allzu große Hoffnungen auf eine Sonderkonjunktur durch den neuen US-Präsidenten sind verflogen. Die Regierung kommt mit der Umsetzung wichtiger wirtschaftlicher Vorhaben nicht voran. Doch das hat aus meiner Sicht für die Nachhaltigkeit des weltweiten Aufschwungs auch Vorteile. Denn die Gefahren für den internationalen Handel durch Beschränkungen des Warenverkehrs und damit das weltweite Wachstum haben abgenommen. Außerdem hat sich die Wahrscheinlichkeit einer Überhitzung durch überbordende Ausgabenprogramme verringert. Dies ermöglicht der amerikanischen Notenbank weiterhin sehr behutsam vorzugehen und nicht schnell auf einen restriktiven Pfad umzuschwenken. Natürlich wird dies sowohl in den USA als auch in Europa von der niedrigen Inflation unterstützt. Trotz ausgelasteter Arbeitsmärkte ist es bisher nicht zu einem überhöhten Lohndruck gekommen, welcher sich langfristig in höheren Preisen wiedergespiegelt hätte. Stattdessen kann die amerikanische Notenbank in den kommenden Quartalen behutsam beginnen, ihre Bilanz um die hohen Anleihebestände zu bereinigen. So lange die Währungshüter hier einen vorsichtigen Pfad beschreiten, sollte dies das Wachstum nicht abwürgen. In Europa sind wir von einer Bereinigung der Bilanz der europäischen Zentralbank (EZB) noch weit entfernt. In der Diskussion steht lediglich das sogenannte „Tapering“. Damit ist eine schrittweise Reduzierung der monatlichen Anleihenkäufe gemeint. Aktuell investiert die EZB noch maximal 60 Mrd. Euro in festverzinsliche Wertpapiere wie bspw. Unternehmensanleihen. Vergleichbar mit den Entwicklungen in den USA ab 2013, sollte eine behutsame Verringerung der monatlichen Aktivitäten nicht zu einem Einbruch der wirtschaftlichen Entwicklung führen. Auch wird meines Erachtens die Rückführung der Käufe zu häufig mit einer Verringerung der Liquidität gleichgesetzt. Dies ist falsch. Die EZB wird wahrscheinlich ab Dezember diesen Jahres lediglich die Zufuhr von Liquidität reduzieren, jedoch nicht den vorhandenen Bestand. Bildlich kann dies sehr schön mit einer Badewanne verglichen werden. Die Wasserzufuhr wird langsam verringert, so lange jedoch der Stöpsel nicht gezogen wird, bleibt die Wanne gefüllt. Anders ausgedrückt, so lange sich die Bilanz nicht verringert, reduziert sich auch die Liquidität nicht. Daher wird die wirtschaftliche Entwicklung weiterhin unterstützt und das Gespenst des „Taperings“ verliert aus meiner Sicht seinen Schrecken. Für den Anleger ist diese Unterscheidung sehr wichtig. Hohe Liquidität und solides Wachstum bedeuten sehr vereinfacht auch weiterhin niedrige Kapitalmarktzinsen und eine gute Unterstützung risikobehafteter Wertpapiere - also Fluch und Segen zugleich.
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