Warum Zinsen auch morgen noch niedrig sein werden

Wirtschaft & Trends
März 2017

 

Autor: Jan Gengel
ist Direktor der Weberbank und seit 2006 als Portfoliomanager im Bereich Vermögensverwaltung verantwortlich für das Rentenmanagement und die Kapitalmarktanalyse des Hauses. Als gelernter Bankkaufmann werden seine beruflichen Erfahrungen durch die akademischen Abschlüsse als Diplom-Volkswirt der Humboldt Universität zu Berlin, Certified European Financial Analyst (CEFA) und Certified International Investment Analyst (CIIA®) abgerundet.

Jan Gengel

Niedrige Zinsen sind allgegenwärtig und aus Sicht eines jeden Sparers ein Ärgernis. Über die Gründe für das nun seit längerem bestehende Phänomen scheiden sich die Geister. Eine ökonomische Theorie, die sich in der Praxis über Jahrzehnte bestätigt hat, ist die, dass Zinsen langfristig überwiegend vom Wachstum bestimmt werden. Trotz der vielen Neuerungen in der Informationstechnik hat sich nichts an dem Trend von Dekade zu Dekade rückläufiger Wachstumsraten in den Industrieländern geändert. Umso weniger verwundert die durch die beiden amerikanischen Ökonomen Paul Krugman und Lawrence Summers wieder entfachte Diskussion über eine „säkulare Stagnation“ – eine lang anhaltende Phase schwachen Wachstums, kaum spürbarer Inflation und niedriger Zinsen. Damit verbunden ist eine gewisse Ohnmacht der Notenbankpolitik, da sie die Zinsen sehr niedrig hält. Sie ist keine neue Theorie, geht sie doch auf die Zeit nach der Weltwirtschaftskrise des vorigen Jahrhunderts zurück, jedoch aktueller denn je. Beide Ökonomen argumentieren mit einem langsamen Bevölkerungswachstum, einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung und damit zu geringen Investitionen, welche die gesamtwirtschaftliche Nachfrage dämpfen.

Diese Punkte treffen aus meiner Sicht weniger für die USA, jedoch umso mehr für Japan und auch Europa zu. Sehen sich doch letztgenannte vor allem mit langfristigen demografischen Problemen konfrontiert. Die Überalterung der Bevölkerung ist bei beiden unstrittig. Fraglich ist jedoch, wie sehr dadurch die Investitionsneigung belastet wird. Fakt ist lediglich der seit Jahren zunehmende Investitionsstau. Zahlreiche Ökonomen empfehlen zur Überwindung die Nachfrage zu stimulieren. Zum Einen durch eine expansive Fiskalpolitik, auch wenn diese schuldenfinanziert ist, und zum Zweiten durch eine Notenbankpolitik, die auch vor negativen Zinsen nicht zurückschreckt oder unkonventionelle Maßnahmen ergreift. Dies vor Augen verwundert die große Euphorie über die vom neuen US-Präsidenten Donald Trump in Aussicht gestellten Konjunkturpakete nicht. Zielen diese doch gerade auf die Überwindung der zu geringen inländischen Investitionen ab. Dabei sollen sowohl Anreize für Konsumenten in Form von geringeren Steuern geschaffen werden als auch für Unternehmen über die Erhöhung von Staatsausgaben beispielsweise für die Erneuerung der Infrastruktur.

In Europa dagegen kämpft die Europäische Zentralbank derzeit allein gegen den Ausgabenstau. Die in den letzten Jahren ergriffenen Maßnahmen zeigen zwar einen großen Willen, die überschüssige Spartätigkeit in Investitionen zu wandeln und die Wachstumsschwäche zu überwinden, jedoch leider bisher ohne Erfolg. Selbst bei einer Konjunkturbelebung gibt es keine historischen Anhaltspunkte, wie es die Notenbanken schaffen, die gewährte Liquidität wieder zu verringern ohne erneut einen Abschwung auszulösen. Sie sind in ihrer eigenen Liquiditätsfalle gefangen. Jeder Versuch der japanischen Notenbank die Zinsen zu normalisieren, ist fehlgeschlagen. Aus meiner Sicht spricht daher Vieles für nachhaltig sehr niedrige Zinsen, von zwischenzeitlichen kurzfristigen Anstiegen einmal abgesehen. Eine einfache Lösung aus der Perspektive des Anlegers gibt es für diese Misere nicht. Nur die Flucht nach vorn. Verringern Sie europäische Zinsanlagen und nutzen Sie beispielsweise die Chancen steigender Zinsen in den USA.

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