Autor: Jan Gengel
ist Direktor der Weberbank und seit 2006 als Portfoliomanager im Bereich Vermögensverwaltung verantwortlich für das Rentenmanagement und die Kapitalmarktanalyse des Hauses. Als gelernter Bankkaufmann werden seine beruflichen Erfahrungen durch die akademischen Abschlüsse als Diplom-Volkswirt der Humboldt Universität zu Berlin, Certified European Financial Analyst (CEFA) und Certified International Investment Analyst (CIIA®) abgerundet.
Ein brisantes Thema, das uns alle bewegt, sind die hohen Flüchtlingsströme. An dieser Stelle möchte ich, losgelöst von der emotionalen Komponente, einen ökonomischen Blick auf die Thematik werfen. Es sollte unstrittig sein, dass wir aus humanitären Aspekten heraus eine hohe Verpflichtung haben zu helfen, und von den aktuellen politischen Debatten möchte ich klar abstrahieren. Die Meinungen über die wirtschaftlichen Auswirkungen sind nicht minder kontrovers und teils auch erschreckend unsachlich. Fragen darüber, ob die zahlreichen Asylsuchenden unser Wirtschaftswachstum bedrohen, uns in eine Rezession stürzen oder gleich unseren gesamten Wohlstand kosten, sind aus meiner Sicht nur schwer nachzuvollziehen. Im Gegenteil sollten wir in diesem Jahr einen Wachstumsschub durch die steigenden Ausgabenprogramme für die Unterbringung der Flüchtlinge bekommen.
Aber viel wichtiger sind die sich nun ergebenden langfristigen Möglichkeiten, dem demografischen Wandel entgegenzuwirken und so unser Erwerbspotenzial zu erhalten. Natürlich stellt die nachhaltige Integration eine Mammutaufgabe dar, aber sie lohnt sich! Einer der kräftigsten Treiber für Wachstum ist Bevölkerungswachstum. In Deutschland wird seit Jahren auf die negativen Auswirkungen einer überalternden Bevölkerung hingewiesen und erfolglos probiert, die desaströse Demografie zu ändern. Zeigt uns doch das Beispiel Japan, welche Entwicklungen ein Industrieland mit einer schrumpfenden Bevölkerung nehmen kann. Seit mittlerweile Jahrzehnten wird vergebens versucht, wieder auf einen Wachstumspfad zurückzukehren. Kein Fiskalprogramm und auch kein Notenbankimpuls haben es bisher geschafft. Sicherlich gibt es für die Probleme mehrere Ursachen, aber wir haben nun die Chance, mit den Einwanderungsströmen ein wesentliches zu mildern und unsere Alterspyramide zu wandeln. Aus meiner Sicht sollte die Einwanderungspolitik daher als Investitionsprogramm in den Produktionsfaktor Arbeit und in die Erhaltung unseres Wohlstandsniveaus angesehen werden. Und damit meine ich nicht nur eine Stärkung des Arbeitskräftepotenzials für den Niedriglohnsektor, sondern auch eine hohe Partizipationsrate am gesamten Arbeitsmarkt. Voraussetzung hierfür sind natürlich die Vermeidung einer ungeordneten Flüchtlingspolitik und dadurch eine erfolgreiche Integration. Wir diskutieren nicht erst seit gestern über einen Fachkräftemangel in Deutschland. Bereits heute sind wir auf Fachkräfte aus anderen Staaten angewiesen. Ein hoher Mangel herrscht gemäß dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Gesundheits- und Pflegebereich sowie bei technischen Ausbildungsberufen und Ingenieuren. Daher würden die Möglichkeit, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sowie gezielte und passgenaue Qualifizierungsangebote sogar schon kurzfristig positiv wirken. Aber vor allem die längerfristigen Effekte durch eine Einbindung jüngerer Einwanderer in unser Bildungs- und Ausbildungssystem würden einen wichtigen Beitrag zur Sicherung unseres Arbeits- und Fachkräftepotenzials leisten.
Kritische Stimmen werden nun auf die mit der Integration verbundenen Kosten und Belastungen für unser Sozialsystem verweisen. Dem möchte und kann ich auch nicht widersprechen. Natürlich sind die derzeitigen Aufwendungen enorm. Schätzungen gehen bis deutlich in den zweistelligen Milliardenbereich. Aber: In der Geschichte der Bundesrepublik hat es noch nie eine Phase gegeben, in der es für den Staat billiger gewesen ist, Kapital zu beschaffen und zu investieren. Und schaffen wir es nicht, den demografischen Wandel abzumildern, werden die Herausforderungen für unser umlagefinanziertes Renten- und Sozialversicherungssystem durch den steigenden Anteil nicht mehr erwerbsfähiger älterer Personen wesentlich größer sein. Die Diskussion sollte sich stärker darauf konzentrieren, wie wir aus den aktuellen Herausforderungen ein gewinnendes Umfeld für die Flüchtlinge und Deutschland schaffen.
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