Minus eins zum Trotz

Kommentar
März 2019

 

Autor: Klaus Siegers
Klaus Siegers ist Vorsitzender des Vorstandes der Weberbank und verantwortlich für die Bereiche Strategie, Personal und Beratung institutioneller Kunden.

Klaus Siegers

„DIE BÖRSE IST KEINE EINBAHNSTRASSE.“ Wenn dem Marktkommentator gar nichts Tröstliches mehr einfällt, kommt unter Garantie diese Binsenweisheit. Und natürlich macht der Blick ins Depot umso mehr Freude, je größer die Zahl unten rechts ausfällt, wo „Summe Kurswerte“ steht. Aber so, wie die Wirtschaft in Zyklen verläuft, verhält es sich, grob gesprochen, auch mit der Börse. „What goes up, must come down“, heißt es deshalb an der Wall Street.

Binsenweisheiten müssen nicht schlecht sein. Das Verhältnis von Wirtschaft und Börse verglich Altmeister André Kostolany mit dem von Herrchen und Hund: Beide spazieren gemeinsam, der Hund bleibt manchmal zurück, meistens aber ist er vorneweg. Die Richtung jedenfalls, die gibt er nicht vor. Ein Ziel guter Finanzpolitik ist es, konjunkturbedingte Ausschläge abzumildern. Völlig verhindern kann sie sie nicht. Zumal die Einflussfaktoren auf Börsenkurse mannigfaltig sind: Zu gesamtwirtschaftlichen, branchen- und unternehmensspezifischen kommen markttechnische, saisonale, psychologische, politische und gesellschaftliche Faktoren, um nur einige zu nennen. Verkompliziert wird alles dadurch, dass die Kurse in der Regel nicht nach gleichen Mustern und Systematiken verlaufen und die Einflussfaktoren auf Kapitalmärkte zwar bekannt sind, ein linearer Zusammenhang zwischen einzelnen Faktoren und Kursentwicklung jedoch nicht immer besteht. Kurz: Hinterher ist man immer schlauer.

„An der Börse sind zwei mal zwei niemals vier, sondern fünf minus eins.“

Dass zum Auf das Ab gehört und man damit auch gut schlafen können muss, ist also quasi ein Naturgesetz. Oder wieder mit Kostolany: „An der Börse sind zwei mal zwei niemals vier, sondern fünf minus eins.“ Wer mit dem „Minus eins“ nicht gelassen umgehen kann, ist kein Aktienanleger, oder? Die minus 18 Prozent beim DAX 2018 hätten wohl viele Anleger, wir eingeschlossen, gern ausgelassen. Aber ist die Situation wirklich so schlecht wie die Stimmung? Reden wir über das Wetter oder über das Klima? Denn: Wer keine Aktien hat, wenn sie fallen, hat auch keine, wenn sie steigen. Und langfristig bleiben sie einfach der quasi risikolosen Bundesanleihe überlegen: In den vergangenen 30 Jahren gab es immer mal wieder Jahre mit teilweise herben Verlusten, jedoch auch solche mit erfreulichen Gewinnen. Im Durchschnitt, und darauf kommt es ja langfristig an, liegt die Aktienrendite im DAX bei zehn, die nominale Rendite bei zehnjährigen Bundesanleihen bei vier Prozent. Die Differenz ist die Marktrisikoprämie.

WIR SEHEN KEINE REZESSION KOMMEN. Und deshalb hat sich auch nichts an unserer Einschätzung geändert, dass es neben Aktien kaum eine Anlageklasse gibt, die Vermögenserhalt bewirkt. Eine für die meisten Weberbank-Kunden relevante Ausnahme ist der Berliner Immobilienmarkt, der sich einerseits durch (gesamtgesellschaftlich intensiv diskutierte) Preissteigerungen und andererseits durch ein nach wie vor niedrigeres Niveau im Vergleich zu anderen Großstädten auszeichnet. Nennen wir es eine „Sonderkonjunktur Berlin“, die mit der kulturellen Sogwirkung unserer Stadt zu tun hat, aber insbesondere mit der vitalen Gründerszene. Berlin zieht die Menschen an – das kann niemand verhindern. Wer zur Berliner Immobilie und den gebotenen Renten noch zu seiner Risikoneigung passende Aktien hat, ist gut aufgestellt.

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