Wirtschaft und Konjunktur – Stabilität mit neuen Spannungsfeldern

Wirtschaft und Konjunktur – Stabilität mit neuen Spannungsfeldern

Rentenmärkte – Flucht in Sicherheit und Hoffnungen auf Zinssenkungen

Aktienmärkte – zwischen Bewertungsdruck und geopolitischer Nervosität

 

Autor: Marthel Edouard
Finanzmarkt aktuell per 24. Oktober 2025
Marthel Edouard, CFA

Marthel Edouard Portfoliomanager

Zwischen den USA und China flammt ein alter Handelskonflikt neu auf, Frankreich wird überraschend herabgestuft – und doch bleiben die Märkte erstaunlich gelassen. Was hinter dieser Ruhe steckt, und welche Signale Investoren nun ernstnehmen sollten, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von „Finanzmarkt aktuell“.

Wirtschaft und Konjunktur – Stabilität mit neuen Spannungsfeldern

Nach einer längeren Phase relativer Entspannung meldete sich in den vergangenen Tagen die Geopolitik zurück. Zwischen den USA und China ist ein alter Konflikt neu entbrannt – und seine Wirkung reicht weit über das Thema Zollpolitik hinaus. Die Regierung in Peking kündigte an, den Export Seltener Erden einzuschränken – jener Rohstoffe, die u.a. für Batterien, Halbleiter oder Smartphones unentbehrlich sind. In Reaktion hierauf drohte Washington mit zusätzlichen Strafzöllen von bis zu 100 Prozent auf chinesische Importe und der Beschränkungen von Exporten wichtiger Softwareprodukte nach China. Die Ankündigungen weckten Erinnerungen an frühere Störungen globaler Lieferketten – mit entsprechend nervösen Reaktionen an den Kapitalmärkten. Erst gegen Ende der letzten Woche folgten versöhnlichere Töne aus beiden Ländern, und die Investoren konnten aufatmen. Doch das kurze Säbelrasseln machte erneut deutlich, wie fragil das weltwirtschaftliche Gleichgewicht inzwischen geworden ist.
Auch in der US-Wirtschaft nahmen die Spannungen zu. Es häuften sich Berichte über Kreditausfälle kleinerer Banken und privater Kreditfonds. Noch handelt es sich um Einzelfälle und nicht um eine systemische Krise. Anleger wurden aber daran erinnert, dass die Phase hoher Zinsen ihre Schatten wirft. Besonders Regionalbanken mit Engagements in Gewerbeimmobilien und Mittelstandsfinanzierungen könnten in den kommenden Monaten unter stärkeren Druck geraten.
In Europa sorgte die überraschende Rating-Herabstufung Frankreichs durch S&P für Irritationen. Politische Dauerkrisen, hohe Staatsausgaben und ein steigendes Defizit ließen Zweifel an der Haushaltsdisziplin aufkommen. Die Renditen französischer Staatsanleihen stiegen zeitweise sogar über das Niveau griechischer Papiere – ein symbolträchtiger Warnschuss, der die Nervosität im Euroraum verdeutlicht.

Rentenmärkte – Flucht in Sicherheit und Hoffnungen auf Zinssenkungen

Die vergangenen zwei Wochen standen ganz im Zeichen einer „Flucht in Sicherheit“. Berichte über Kreditausfälle und Trumps Zollandrohungen ließen Anleger vermehrt zu Staatsanleihen greifen. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen fiel unter 4 Prozent, und deutsche Bundesanleihen mit gleicher Laufzeit rentierten auf einem Viermonatstief von 2,5 Prozent. Gleichzeitig stiegen die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen – ein klassisches Signal für gestiegene Risikoaversion.
Sowohl in den USA als auch im Euroraum mehren sich die Anzeichen, dass die Notenbanken ihren geldpolitischen Kurs weiter lockern könnten. Angesichts einer nachlassenden Konjunkturdynamik und einer wachsenden Unsicherheit rechnen Anleger inzwischen damit, dass die US-Notenbank noch in diesem Monat den Leitzins um 25 Basispunkte senken dürfte. Für die folgenden Quartale preisen die Terminmärkte weitere moderate Schritte ein. Auch im Euroraum sind die Erwartungen klar: Mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 75 Prozent gehen Marktteilnehmer bis Mitte 2026 von einer zusätzlichen Zinssenkung der EZB aus. Wir gehen hingegen von keinem weiteren Lockerungsschritt aus.
Unsere Sicht auf den Anleihemarkt bleibt positiv. Im Mittelpunkt stehen weiterhin Unternehmensanleihen mit guter bis sehr guter Bonität, deren Fundamentaldaten überzeugend sind und die ein attraktives Rendite-Risiko-Profil bieten. Zuletzt haben sich die Risikoaufschläge am Kreditmarkt zwar leicht ausgeweitet, was wir jedoch als normale Reaktion auf das gestiegene Unsicherheitsumfeld werten. Entscheidend bleibt, auf Emittenten zu setzen, die Stabilität und verlässliche Erträge bieten. Neben Unternehmensanleihen erfüllen vor allem europäische Staaten und staatsnahe Emittenten diese Rolle – sie bleiben damit ein zentraler Stabilitätsanker im Portfolio.

Aktienmärkte – zwischen Bewertungsdruck und geopolitischer Nervosität

An den Aktienmärkten zeigten sich die Anleger zuletzt bemerkenswert gelassen. Trotz geopolitischer Spannungen und anhaltender Unsicherheit rund um Zölle und Banken konnten sich Aktien freundlich entwickeln. Rückenwind kam von einem überzeugenden Auftakt der US-Berichtssaison: Mehrere große Banken meldeten solide Quartalszahlen und gaben sich zuversichtlich für die kommenden Monate – ein Signal, das das Vertrauen in die Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft stärkte.
Insgesamt zeigt sich der Aktienmarkt damit in erstaunlich robuster Verfassung. Zwar hat die Nervosität zuletzt leicht zugenommen, doch ein Trendbruch ist nicht erkennbar. Rund 80 Prozent der US-Unternehmen, die bislang berichtet haben, übertrafen die Gewinnerwartungen – ein erfreulicher Start in die Saison. Gleichwohl bleiben die Bewertungen ambitioniert, insbesondere in den USA, wo das Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500 Index weit über dem historischen Durchschnitt vergangener Jahre liegt.
Wir halten deshalb an einer selektiven Aktienstrategie fest. Bevorzugt bleiben Qualitätstitel mit soliden Bilanzen, Preissetzungsmacht und strukturellem Wachstumspotenzial – vor allem in den Bereichen Technologie, Finanzen und Industrie. Kurzfristige Rückschläge sehen wir weiterhin als gute Gelegenheit, Positionen in diesen Sektoren auszubauen.

Haftungsausschluss:

Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.

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