Wirtschaft und Konjunktur – Stabilität mit Rissen

Wirtschaft und Konjunktur – Stabilität mit Rissen

Anleihemärkte – Zinsen steigen, Risikoaufschläge fallen

Aktienmärkte – US-Stärke trifft europäische Schwäche

 

Autor: Marthel Edouard
Finanzmarkt aktuell per 19. September 2025
Marthel Edouard, Portfoliomanager

Marthel Edouard Portfoliomanager

Robuste Konsumenten in den USA, ein schwächelnder Arbeitsmarkt und ein starker Euro prägen derzeit das Bild an den Märkten. Was das für Anleihen und Aktien bedeutet, erfahren Sie in unserem neuen „Finanzmarkt aktuell“:

Wirtschaft und Konjunktur – Stabilität mit Rissen

Das globale Konjunkturbild der vergangenen zwei Wochen wirkt auf den ersten Blick stabil, offenbart aber bei näherem Hinsehen zunehmend Risse. In den USA bleibt der private Konsum der wichtigste Stützpfeiler. Die Einzelhandelsumsätze überraschten im August erneut positiv und legten um 0,6 % zu. Besonders der Online-Handel erwies sich als Treiber, während andere Bereiche wie Möbel oder Gesundheit schwächelten. Real betrachtet fiel das Wachstum zwar deutlich moderater aus, doch insgesamt zeigte der Konsum bemerkenswerte Widerstandskraft. Gleichzeitig verlor der Arbeitsmarkt spürbar an Dynamik: Neueinstellungen nahmen ab, die Arbeitslosenquote stieg und die Einstellungsbereitschaft vieler Unternehmen hat merklich nachgelassen. Diese Entwicklung veranlasste die US-Notenbank am vergangenen Mittwoch, die Leitzinsen erstmals seit Ende 2024 zu senken. Fed-Chef Powell sprach von einem „Versicherungsschritt“ angesichts steigender Risiken, betonte jedoch zugleich die robuste Grundverfassung der Wirtschaft. An den Märkten sorgte die Entscheidung kaum für Überraschung; der Dollar verlor nur kurzzeitig an Wert gegenüber dem Euro, handelt aber nach wie vor auf einem Mehrjahrestief.
In Europa zeigte sich ein ähnlich vielschichtiges Bild: Die Inflation verharrte im August bei 2,0 %, die Kernrate bei 2,3 %. Damit verlangsamte sich der Trend einer abnehmenden Teuerungsrate deutlich. Zugleich lieferten die Konjunkturdaten widersprüchliche Signale: Während die Industrieproduktion in Deutschland positiv überraschte, schwächelten Auftragseingänge und Geschäftsklima. Hinzu kam politischer Druck – die Herabstufung der französischen Kreditwürdigkeit unterstreicht die Fragilität der fiskalischen Lage in der zweitgrößten Volkswirtschaft des Euroraums. Für die EZB ergibt sich damit ein schwieriger Balanceakt: kurzfristig kein Handlungsdruck, langfristig aber möglicherweise die Notwendigkeit, erneut die Geldpolitik lockern zu müssen.
Auch aus China kamen verhaltene Nachrichten. Industrie und Konsum entwickelten sich schwächer als erwartet, während strukturelle Probleme im Immobiliensektor und geopolitische Spannungen mit den USA das Umfeld zusätzlich belasteten. Damit ergibt sich insgesamt ein Bild der globalen Konjunktur, das zwar noch von Stabilität geprägt ist, dessen Fundament aber brüchiger wird.

Anleihemärkte – Zinsen steigen, Risikoaufschläge fallen

Die Rentenmärkte präsentierten sich zuletzt zweigeteilt. In Europa kletterten die Renditen von Bundesanleihen leicht nach oben, was zu sinkenden Kursen führte. Gleichzeitig gaben die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen, die Ende August noch gestiegen waren, in den vergangenen zwei Wochen wieder spürbar nach; sie bewegen sich inzwischen nahe historischer Tiefststände. Auch die Primärmärkte liefen auf Hochtouren: Staats- und Unternehmensanleihen stießen auf reges Interesse und kamen vielfach mit geringen Risikoaufschlägen auf den Markt.
Unsere Einschätzung zum Anleihemarkt bleibt unverändert: Es sind vor allem Unternehmensanleihen guter bis sehr guter Bonität, die wir im Portfolio favorisieren, da die fundamentale Lage der Unternehmen aus unserer Sicht grundsolide ist und man gleichzeitig eine adäquate Rendite erzielt. Anleger sollten sich allerdings nicht von der momentanen Ruhe an den Kreditmärkten täuschen lassen. Gefragt sind vielmehr Papiere, die Stabilität versprechen und gleichzeitig verlässlich laufenden Ertrag bieten. Neben den genannten Unternehmensanleihen sind es europäische Staats- und staatsnahe Anleihen, die diese Rolle unverändert erfüllen und somit ein unverzichtbarer Anker in einem ausgewogenen Portfolio sind.

Aktienmärkte – US-Stärke trifft europäische Schwäche

An den Aktienmärkten setzte sich das gewohnte Muster fort: In den USA zeigten die Kurse weiter Stärke, während Europa und besonders Deutschland ins Stocken gerieten. Ein wesentlicher Grund ist die deutliche Aufwertung des Euros gegenüber dem US-Dollar, die die Ertragsaussichten exportorientierter Unternehmen trübt. Die Berichtssaison zum zweiten Quartal bestätigte dieses Bild. Insgesamt fielen die Ergebnisse solide aus, besonders Technologie- und Finanzwerte konnten überzeugen. Doch das Umsatzwachstum vieler europäischer Unternehmen blieb hinter den Erwartungen zurück, und Konsumgüterkonzerne mit starker US-Exponierung litten spürbar unter Zöllen und Wechselkurseffekten.
In Südeuropa wiederum konnten die Märkte ihre relative Stärke behaupten, getragen von Banken, die überdurchschnittlich stark in den Leitindizes vertreten sind. Gewinnanhebungen und stabile Rahmenbedingungen haben hier zusätzliche Unterstützung geliefert. Gleichwohl steigen die Risiken. Schwächere US-Arbeitsmarktdaten, ambitionierte Bewertungen und bereits erreichte Kursniveaus auf Mehrjahreshöchstständen sprechen für eine erhöhte Korrekturgefahr. Kurzfristig rechnen wir daher mit mehr Schwankung. Mittel- bis langfristig bleiben wir aber zuversichtlich: Solide Unternehmensbilanzen, eine moderatere Geldpolitik in den USA und eine allmähliche Stabilisierung des globalen Wachstums sollten den Märkten weiterhin Rückhalt geben. Für Anleger bleibt entscheidend, die regionale Diversifikation hochzuhalten, Risikopuffer einzuplanen und verstärkt auf Qualitätswerte mit solider Ertragskraft zu setzen.

Haftungsausschluss:

Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.

Ansprechpartner für Journalisten:

Pressesprecher Robert Heiduck, (030) 8 97 98 - 388

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