Ab in den Urlaub, ab in den Sonnenschein.

Der frühe Vogel fängt den Wurm?

Kaufen, was das Zeug hält!

Dem Gipfel so nah?

 

Autor: Björn Hallex
Finanzmarkt aktuell per 10. Juli 2020
Björn Hallex, CEFA / CIIA, Portfoliomanager

Björn Hallex

Ab in den Urlaub, ab in den Sonnenschein. Oder übersetzt: Ab an die Kapitalmärkte. Ab zu neuen Höchstständen, könnte der Titel auch gesungen werden. Führen der Mangel an aussichtsreichen Ferienzielen und überfüllten Stränden zu einer einseitigen Konzentration auf die Kapitalmärkte und werden jetzt alle Signale für stürmische Zeiten verdrängt? Diese Ausgabe von Finanzmarkt aktuell fasst die wichtigsten Entwicklungen für Sie zusammen.

Der frühe Vogel fängt den Wurm?

Dann gilt, schnell zu reagieren sobald sich taktangebende Frühindikatoren, wie zuletzt ansteigende Einkaufsmanagerindizes sowohl für das verarbeitende Gewerbe als auch den Dienstleistungssektor weiter aufhellen, um den Wurm zu fangen. Also rein in die Risikokapitalanlagen? Wir wissen aber auch, dass eine Schwalbe noch keinen Sommer ausmacht. Wirtschaftsindikatoren wie zum Beispiel Auftragseingänge, die in den nächsten drei bis sechs Monaten das positive Bild bestätigen sollen, wird es vermutlich schwerer fallen, alle Erwartungen zu erfüllen. Und so wird auch das Auslaufen unterstützender Maßnahmen in den USA, wie die Rücknahme des in der Krise erhöhten Arbeitslosengeldes zum Monatsende, zu niedrigeren Einkommen führen und damit Auswirkungen auf die Konsumneigung haben. Vor uns dürfte weniger eine gerade Schnellstraße liegen als vielmehr eine kurvenreiche Landstraße, die mit Geschick bewältigt werden möchte. Und so sollten die Augen konzentriert auf die Straße gerichtet werden und nicht auf die schöne Landschaft, um Gefahren zu erkennen. Eine zu meisternde Kurve sind die Entwicklung der Fallzahlen an Covid-19 Erkrankten gerade in den USA. Diese begründen sich in einer Ausweitung der Testkapazitäten um das Sechsfache seit März. Damit können auftretende Infektionen frühzeitig erkannt und behandelt werden. Bis auf einige regionale Vollauslastung der Krankenhauskapazitäten, wie z.B. in Houston, erkennen wir noch nicht in der Breite eine Entwicklung wie wir sie in New York gesehen haben. Der Verlauf der Krankheit ist in den meisten Fällen unproblematisch. Dennoch sollte ein wachsames Auge auf die Entwicklung gerichtet werden. Mit einem Zeitverzug sind schnell Kapazitätsgrenzen erreicht. Erste Rücknahmen von den Lockerungsmaßnahmen wie die Schließung von Restaurants und Bars sowie vereinzelter Strandabschnitte sind in einigen Regionen als Schutzmaßnahmen wieder erfolgt.
Eine weitere Kurve zeigt den Blick in Richtung US-Wahlen im Herbst. Aktuell gibt es ein Übergewicht der Stimmen zu Gunsten von Joe Biden, dem Präsidentschaftskandidaten der Demokraten. Bisher konnte sich Biden trotz hoher Covid-19 Fallzahlen und der Black-Lives-Matter Bewegung nicht deutlicher zu seinem bereits erreichten Umfragehoch zum Jahreswechsel abheben. Aus Erfahrungen haben wir gelernt, nicht zu stark auf die nationalen Umfrageergebnisse zu achten, sondern die Staaten der unentschlossenen Wähler (Swing-States) im Blick zu halten. Auch hier führt Biden derzeit vor Trump. Ob Biden genügend Wähler gerade aus dem Kreis der ethnischen Minderheiten für sich gewinnen kann, wird sich zeigen. Somit bleibt in unseren Augen der Ausgang der Präsidentschaftswahlen weiterhin offen.

Kaufen, was das Zeug hält!

Nicht nur, dass die europäische Zentralbank ihr Wertpapierkaufprogramm ausgeweitet hat, nein, sie kauft auch mit einer hohen Geschwindigkeit Papiere an, so dass bereits ein Viertel vom aufgelegten Programm aufgebraucht ist. Dies wird die europäische Notenbank so nicht durchhalten können, ohne das Kaufprogramm erneut auszuweiten. Spätestens im 2. Halbjahr und mit einem aufgehellten Konjunkturumfeld sollte das Kaufvolumen langsam zurückgefahren werden. Und so wundert es nicht, dass Renditedifferenzen zu den südeuropäischen Ländern weiter zusammenlaufen. Aber auch Unternehmen sind sehr aktiv am Kapitalmarkt und haben im ersten Halbjahr neue Anleihen begeben. Sie erreichen damit jetzt schon das Niveau des gesamten Jahres 2018. Dieses Rekordniveau führt bei bonitätsstarken Unternehmen zu einer guten Liquiditätsausstattung. Etwas Sorge bereiten uns die höheren Ausfallwahrscheinlichkeiten und damit die Ratingverschlechterungen im Hochzinsanleihemarkt. Hier spiegeln die Renditen nicht mehr die vorhandenen Risiken wider. Ein besseres Chance-Risiko-Profil zeigen dagegen Wandel- oder Schwellenländeranleihen.

Dem Gipfel so nah?

Die Berichtssaison nimmt nächste Woche deutlich an Fahrt auf. Es wird interessant, ob sich die Unternehmen aus der Deckung wagen und wieder einen Ausblick zur Geschäftstätigkeit aufzeigen. Von 500 Unternehmen aus dem S&P500, der die größten amerikanischen Unternehmen auflistet, haben 170 Firmen den Ausblick in der Krise gestrichen. Wir erkennen bereits in den letzten Wochen einen Trend zu positiveren Gewinnrevisionen der Analysten. Dennoch werden wir eine der schwächsten Quartalsberichtssaison in der Geschichte sehen. Für den S&P500 wird ein Rückgang der Gewinne von knapp 22 Prozent erwartet. Sollten die Prognosen für das Jahr 2021 stimmen, dann dürfte es sich um eine recht kurze Delle handeln. Etwas pessimistischer scheinen institutionelle Anleger zu sein, was anhand der Abflüsse aus Aktienfonds und hohen Liquiditätsposition zu beobachten ist. Dieser Trend hält seit April an. In die Bresche springt eine neue Generation von Anlegern, die vor allem in den jüngeren Bevölkerungsgruppen zu finden sind. Sie nutzen das Kursniveau der letzten Monate zum Einstieg in den Aktienmarkt. Gerade Technologietitel aus den USA konnten profitieren und bewegten sich auf neue Kurshöhen zu. Ob dies lediglich auf den Lock-Down-Effekt und höheren Einkommen während dieser Phase zurückzuführen ist, bleibt abzuwarten. Somit sind neben der Liquiditätszuführung der Notenbanken, dem Argument „es gibt keine Alternative zur Aktie“ und eine attraktive Dividendenrendite auf der positiven Seite der Medaille zu verbuchen. Auf der Gegenseite sieht die Bewertung anhand des Kurs-Gewinn-Verhältnis sehr ambitioniert aus. Unterlegen wir diese Kennzahl mit dem Durchschnitt der Gewinne der letzten 10 Jahre, so zeigt sich zumindest keine deutliche Überbewertung mehr. Unterstellen wir ein längerfristiges niedriges Zinsniveau, dürften Aktien immer mehr auch bei konservativen Anlegern in den Fokus rücken, um ihre eigenen Renditeerwartungen zu erfüllen.

Haftungsausschluss:

Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.

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