Während sich die europäischen Finanzmärkte aktuell von verschiedensten politischen Ereignissen verunsichern lassen, zeigt sich die Stimmung in den USA unverändert positiv.

Beim Brexit ist das positive Momentum verflogen, und es deutet sich eine Zitterpartie bis mindestens März an

Italiens Haushaltsplan macht die Märkte nervös und lässt italienische Bankaktien tief fallen

Börsen in den USA zeigen sich von Handelskonflikt und Kongresswahlen unbeeindruckt

 

Autor: Jan Nießen
Finanzmarkt aktuell per 5. Oktober 2018
Jan Nießen, Portfoliomanager

Jan Nießen

Während sich die europäischen Finanzmärkte aktuell von verschiedensten politischen Ereignissen verunsichern lassen, zeigt sich die Stimmung in den USA unverändert positiv. Weder Konsumenten noch Investoren lassen sich durch Unwägbarkeiten wie den Handelskonflikt oder die anstehenden Kongresswahlen aus der Ruhe bringen. Woran das liegt und warum sich diese Entwicklungen fortsetzen dürften, lesen Sie in der folgenden Ausgabe von Finanzmarkt aktuell.

Beim Brexit ist das positive Momentum verflogen, und es deutet sich eine Zitterpartie bis mindestens März an

Noch vor wenigen Wochen machte sich nach den Aussagen diverser EU-Vertreter unter Beobachtern das Gefühl breit, dass eine Lösung in den Brexitverhandlungen, wenn schon nicht zum Greifen nahe, dann zumindest sehr wahrscheinlich wäre. Von dieser Wohlfühlstimmung ist nach dem Treffen der europäischen Staatschefs in Salzburg, das sich nur am Rande mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU beschäftigte, nichts übrig geblieben. Aktuell macht es eher den Eindruck, als seien alle Verhandlungsteilnehmer enttäuscht über das ausbleibende Entgegenkommen der jeweils anderen Seite. Diese Haltung, kombiniert mit den innenpolitischen Unsicherheiten in Großbritannien, die durch den in dieser Woche stattfindenden Parteitag der regierenden Konservativen nicht entscheidend reduziert wurden, sorgt bei vielen Analysten zunehmend für Unruhe. An den Finanzmärkten ist hiervon jedoch noch nichts zu erkennen. Weder die britischen Aktien noch das Pfund zeigten im Jahresverlauf größere Ausschläge und signalisieren damit, dass für die meisten Akteure nach wie vor eine Einigung das wahrscheinlichste Szenario ist. So löblich es sein mag, in einer Situation der Anspannung Ruhe zu bewahren, umso heftiger könnte das böse Erwachen ausfallen, falls es zu einem ungeregelten Austritt kommt. In jedem Fall sollte das Geschehen an den Verhandlungstischen in Brüssel und London eines der dominierenden Themen der nächsten Wochen und Monate sein und Potential für stärkere Kursbewegungen in die eine oder andere Richtung bieten.

Italiens Haushaltsplan macht die Märkte nervös und lässt italienische Bankaktien tief fallen

Während der Brexit bisher eher den Analysten und weniger den Finanzmärkten Kopfzerbrechen zu bereiten scheint, wurden letztere von den italienischen Haushaltplänen kalt erwischt. Nachdem die Regierung in Rom der EU mitteilte, sie strebe für das nächste Jahr ein Haushaltsdefizit von 2,4% an und sich damit ausdrücklich gegen den Wunsch aus Brüssel stellte, die Verschuldung von über 130% der Wirtschaftsleistung zu reduzieren, ließen sich zwei Reaktionen beobachten. Einerseits stiegen die Risikoprämien, die auf italienische Staatsanleihen gezahlt werden, auf ein Niveau, welches zuletzt zum Ende der Staatsschuldenkrise 2014 erreicht worden war. Andererseits mussten die Banken des Landes so massive Kursverluste hinnehmen, dass die Aktien der Institute zeitweilig vom Handel ausgesetzt wurden. Auch nach dem ersten Schreck bleibt die Unsicherheit im europäischen Markt weiterhin bestehen. Italien hat jetzt bis zum 15. Oktober Zeit, einen endgültigen Plan für den Haushalt zu erklären, und für die EU stellt sich anschließend die Frage, ob sie diesen akzeptiert oder Nachbesserungen verlangt. Ein Vorteil der entstandenen Unruhe scheint zu sein, dass die italienische Regierung sich bei ihren Plänen flexibel zeigt und ankündigte, die geplante Neuverschuldung für die Jahre nach 2019 unter das bislang vorgesehene Niveau zu reduzieren. Es bleibt allerdings unklar, ob sich die EU mit diesem Vorschlag zufrieden gibt und ob er ausreicht, das verloren gegangene Vertrauen wieder herzustellen. Unabhängig vom Ausgang des Konfliktes dürfte bei Titeln des Finanzsektors, die erfahrungsgemäß unter einer solchen Diskussion besonders leiden, in den nächsten Wochen erhöhte Vorsicht angebracht sein.

Börsen in den USA zeigen sich von Handelskonflikt und Kongresswahlen unbeeindruckt

Unberührt von allen europäischen Sorgen entwickelt sich die Wirtschaft in den USA weiterhin positiv. Dies schlägt sich auch an den Börsen nieder und sorgt dafür, dass die immer neue Rekordhöhen erreichenden Indizes ihren europäischen Pendants mittlerweile deutlich enteilt sind. Der Abschluss eines neuen Handelsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten, Mexiko und Kanada, genannt „USMCA“, welches als Nachfolger der NAFTA-Vereinbarung gilt, könnte für weiteren Aufwind sorgen. Dagegen bereitet der Handelskonflikt zwischen den USA und China, welcher immer neue Zollankündigungen von beiden Seiten nach sich zieht, vielen immer noch Sorgen. Dass diese sich noch nicht auf die gute Stimmung unter den Konsumenten niedergeschlagen haben, liegt auch daran, dass Preiserhöhungen bislang ausblieben. Auch die im November anstehenden Wahlen, bei denen das Repräsentantenhaus komplett und der Senat zu einem Drittel neu gewählt werden, lassen momentan keine Unruhe aufkommen. Obwohl die Umfragen aktuell in keine klare Richtung deuten, besteht die Möglichkeit, dass Präsident Trump und seine republikanische Partei ihre Mehrheit, die sie aktuell in beiden Kammern besitzen, verlieren könnten und somit das Regieren für die restliche Amtszeit deutlich erschwert werden dürfte. Eine solche politische Pattsituation, in der der Präsident ohne die vollständige Unterstützung des Kongresses agieren muss, kann den Handlungsspielraum der Regierung deutlich einschränken, dürfte die positive Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft allerdings zumindest mittelfristig nicht bremsen.

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