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Autor: Sascha Rehbein
Finanzmarkt aktuell per 01. November 2024
Sascha Rehbein, CFA, Portfoliomanager
High Noon in den USA! Es fällt nicht schwer, große Worte im Zusammenhang mit den US-Wahlen am kommenden Dienstag zu finden. Die beiden Kandidaten könnten unterschiedlicher nicht sein. Die Wahlprogramme stehen an den jeweiligen Außenrändern des politischen Spektrums. Die Wählerumfragen zeigen alles andere als einen klaren Favoriten. Somit blickt die Welt mit großer Spannung auf knapp eine Handvoll Bundesstaaten, die den Ausgang der Wahl bestimmen werden. Wie wir die US-Wahlen für die Kapitalmärkte und die Konjunktur einschätzen, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von „Finanzmarkt aktuell“:
Hauchdünner Vorsprung für Donald Trump
Spätestens seit der Wahl 2016 haben wir gelernt, den nationalen Wahl-Umfragen nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Viel wichtiger sind die sieben sogenannten Swing States, also jene Staaten, die sich von Wahl zu Wahl entweder für die Demokraten oder Republikaner entscheiden. Von den 50 Bundesstaaten gehören erstaunlicherweise gerade mal sieben dieser Gruppe an. Vizepräsidentin Harris hat seit ihrer Nominierung neuen Schwung in die Wahl gebracht, im TV-Duell gegen Donald Trump überzeugt und im Spätsommer ein gutes Momentum aufgebaut. Allerdings hat sie in den letzten Wochen an Zustimmung verloren. Einer der Gründe ist ihr inhaltlich dünnes Wahlprogramm, das die maßgeblichen Sorgen der US-Bürgerinnen und -Bürger bzgl. hoher Lebenshaltungskosten und des Grenzschutzes nur halbherzig adressiert. Ihr Konkurrent hat hingegen eine ultratreue Gefolgschaft hinter sich und kann nach zuletzt positivem Rückenwind wieder einen leichten Vorsprung in den wichtigen Swing States vorweisen. Es ist somit ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen mit einem leichten Vorteil für den ehemaligen US-Präsidenten.
US-Kongress: Zentrale Rolle für den politischen Pfad
Gewählt wird allerdings auch der US-Kongress, der aus Senat und Repräsentantenhaus besteht. Diese Wahlen rücken oftmals in den Hintergrund, obwohl die Institution für die allgemeine Gesetzgebung natürlich eine enorme Rolle spielt. Ein Blick in die Wahlprogramme der beiden Präsidentschaftskandidaten zeigt, wie wichtig die Steuerpolitik im kommenden Jahr werden wird. Allerdings brauchen beide Kandidaten dafür einen wohlgesonnenen Kongress zur Umsetzung, da dieser die Haushaltskontrolle hält. Das gilt natürlich nicht nur für die Einnahmen, sondern auch für die geplanten Ausgaben. Die umfangreichen Sozialprogramme von Harris oder im Gegenzug die geplanten Massenabschiebungen Trumps müssten vom Kongress genehmigt werden. Aktuelle Umfragen zeigen, dass sich im Senat ein Machtwechsel abzeichnet – von einer demokratischen Mehrheit hin zu einer republikanischen. In der zweiten Kammer, dem Repräsentantenhaus, sieht das Bild hingegen unklarer aus. Ähnlich wie im Rennen um das Weiße Haus wird sich ein klares Bild frühestens am Mittwochmorgen ergeben.
Die Staatsverschuldung wird weiter ansteigen
Zumindest in einem stimmen beide Kandidaten überein – die jeweiligen Wahlprogramme sind inhaltlich relativ überschaubar. Da hört es allerdings auch schon mit den Gemeinsamkeiten auf. Wie bereits angedeutet, haben beide Kandidaten die Steuerpolitik im Fokus. Während Donald Trump die Steuersenkungen aus seiner ersten Amtszeit verlängern möchte und für Unternehmen sogar nochmals Steuererleichterungen vorsieht, zielt Kamala Harris auf Steuererhöhungen für Reiche und Unternehmen ab. Gleichzeitig beabsichtigt sie über Steuererleichterung Familien und Unternehmensgründungen zu unterstützen. So sollten beide Kandidaten die Staatsverschuldung weiter belasten. Experten schätzen, dass sich unter Harris die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP von aktuell 100 Prozent auf ca. 130 Prozent auf Sicht der nächsten 10 Jahre ausweiten dürfte. Dies entspricht in etwa der aktuellen Verschuldungsquote von Italien. Die fiskalpolitischen Maßnahmen Donald Trumps würden dies mit 140 Prozent sogar noch übertreffen.
„Das schönste Wort der Welt – Zölle“
Neben den geplanten Steuererleichterungen stehen bei Trump natürlich Zölle ganz oben auf der Agenda. Praktischerweise braucht er dafür kaum die Zustimmung vom Kongress. So plant er auf alle Importe bis zu 20 Prozent und auf chinesische Einfuhren bis zu 60 Prozent Zölle zu erheben. Diese sollten insbesondere den amerikanischen Konsumenten schwer treffen. Aktuelle Schätzungen gehen von einer zusätzlichen Belastung für einen durchschnittlichen Haushalt in Höhe von 2.600 US-Dollar im Jahr aus. Dabei sind sehr wahrscheinliche Gegenmaßnahmen aus Europa und Asien noch nicht berücksichtigt. Die Schwächsten in der Gesellschaft würden am deutlichsten von den geplanten Zöllen getroffen werden. Unter einer potentiellen Präsidentin Harris sollten wir in der Handelspolitik mit einer Fortführung des Biden-Kurses rechnen: Druck auf China aufrechterhalten, auf die Zusammenarbeit mit den Alliierten setzen und gegebenenfalls neue Handelsabkommen in Asien beschließen.
Regulierung vs. Deregulierung
Auch bei der Wirtschaftspolitik divergieren die beiden Kandidaten deutlich voneinander. Durch diverse Deregulierungsvorhaben wird Donald Trump die Umweltpolitik seines Vorgängers teilweise zurückdrehen. So könnte der Öl- und Gassektor von neuen Produktionsstandorten und lascheren Umweltvorgaben profitieren. Gleichzeitig könnten Subventionen für Elektroautos reduziert oder sogar abgeschafft werden. Harris hingegen wird voraussichtlich den Technologiesektor stärker regulieren, wie z.B. im Bereich Künstlicher Intelligenz und die Kontrolle über einzelne IT-Großkonzerne verstärken. Die hohen Lebenshaltungskosten gehören aktuell zu den größten Sorgen der US-Bürger, und keiner der beiden Kandidaten hat sich ernsthaft diesem Problem angenommen. Während Donald Trump über günstige Energiekosten bei den Wählern punkten will, fokussiert sich Harris auf die Bekämpfung von Preistreiberei bei Lebensmitteln. Dabei bleibt sie allerdings im Detail sehr vage und konnte den Wählern bisher kein klares Konzept präsentieren.
Prognostizierbarer vs. erratischer Politikstil
In Summe erwarten wir, dass eine Präsidentin Harris die prognostizierbare Politik Bidens fortführen wird. Dabei sollte sie noch stärker den Fokus auf die Belange der Mittelklasse und Familien setzen. Die hohen Lebenshaltungskosten und die ihr zugeschriebene ungeordnete Massenzuwanderung der letzten vier Jahre lasten schwer auf der Vizepräsidentin und könnten sie am Ende den Wahlsieg kosten. Mit Blick auf die kommenden vier Jahre einer möglichen Trump-Präsidentschaft ist es hilfreich, sich auf die Erkenntnisse aus seiner ersten Amtszeit zu beziehen. Zunächst sollten seine diversen politischen Ziele und Aussagen ernstgenommen werden. Gleichzeitig zeigte er jedoch in der Vergangenheit auch immer eine gewisse Verhandlungsbereitschaft. Seine Affinität zum Populismus und diversen demokratiefeindlichen Aussagen können im Extremfall zur Instabilität des demokratischen Systems führen. Die erratische Trump-Politik bedeutet somit für uns: Erhöhte Wachsamkeit und Management auf Sicht!
Auswirkungen auf die Kapitalmärkte
Nach dem Wahlkampf kommt die Realität: Die Umsetzung der jeweiligen politischen Ziele hängt sehr stark von der Konstellation im US-Kongress ab und erschwert damit auch die Prognose für die Kapitalmärkte. Aus unserer Sicht hat die Trump-Politik für den Heimatmarkt einen wirtschaftsfreundlichen Grundton, vor allem durch potentielle Steuererleichterungen, Deregulierung sowie Protektionismus. Der US-Aktienmarkt sollte unterstützt bleiben, insbesondere der Öl- und Gassektor sowie Verteidigung sollten überproportional profitieren. Die Zollpolitik, die Absicht massenhafter Abschiebung von illegalen Zuwanderern sowie eine deutliche Aufblähung der Verschuldung wirken hingegen inflationär und treiben die Renditen von US-Staatsanleihen nach oben. Der Handelskrieg aus 2018 hat gezeigt, dass die Risikoprämien von Schwellenländer- und Hochzins-Anleihen im Zuge dessen deutlich angestiegen sind und die Kurse belastet haben. Das höhere Wachstumspotential sowie höhere Zinsdifferenz sprechen aus unserer Sicht für einen stärkeren US-Dollar. Unter Kamala Harris sollten sich die Kapitalmärkte analog der letzten vier Jahre positiv entwickeln können, wobei vereinzelte Segmente wie beispielsweise der wichtige US-Technologiesektor auf Grund ihrer Regulierungsbestrebungen zwischenzeitlich stärker unter Druck geraten könnten. Die anstehenden Wahlen haben somit das Potential, den Kurs des Landes grundlegend zu verändern und das Weltgeschehen massiv zu beeinflussen.
Haftungsausschluss:
Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.
Ansprechpartner für Journalisten:
Pressesprecher Robert Heiduck, (030) 8 97 98 - 388
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