Portrait Dr. Sebastian Fitzek, Bestseller-Thrillerautor, an einem Tisch sitzend in einem Lokal in Wilmersdorf

© Doro Zinn / https://dorozinn.com/ 
Sebastian Fitzek

Meister des Unbehagens

In Sebastian Fitzeks Thrillern ist Berlin allgegenwärtig. Nicht nur als Kulisse, sondern als Charakter seiner Geschichten. Ein Porträt

Sebastian Fitzek ist ein Phänomen der deutschen Literaturlandschaft. Mit seinen Psychothrillern, die tief in die Abgründe der menschlichen Seele tauchen, hat er Millionen Leserinnen und Leser in seinen Bann gezogen. Der 53-Jährige ist der erfolgreichste Autor Deutschlands, seine Bücher stürmen regelmäßig die Bestsellerlisten. Beim Treffen mit diskurs gewährt der Berliner Einblicke in sein Denken – über seine Heimatstadt, den Moment, der ihn zum Schriftsteller machte, und über die Kunst, das Dunkle zu ergründen, ohne selbst darin zu versinken. Es ist das Porträt eines Mannes, der Spannung nicht nur schreibt, sondern lebt. 

Portrait Dr. Sebastian Fitzek, Bestseller-Thrillerautor, stehend, die Arme verschränkt
Textbox: mit seinen Thrillern ist Sebastian Fitzek der erfolgreichste Schriftsteller Deutschlands

Berlin, die Stadt der Gegensätze. Von den hippen Achtzigern in West-Berlin bis zur Aufbruchstimmung der Wende, die pulsierende Metropole formt seine Thriller. Sebastian Fitzek sitzt in einem Café nahe dem Roseneck. Gleich um die Ecke liegt sein Büro, in dem er die Fäden für seine nächsten Psychothriller spinnt. Hinter den packenden Geschichten, die von Manipulation, Angst und Mord handeln, steht ein Mann, der Inspiration aus dem Alltag schöpft – und aus einer Stadt, die ihn geformt hat wie keine andere: Berlin. 

Eine Kindheit in der eingemauerten Stadt. Geboren 1971 in West-Berlin, wuchs Fitzek in einer Stadt auf, die sich wie ein eigener Kosmos anfühlte. „Als West-Berliner hat man sich immer als etwas Besonderes gefühlt“, erzählt er mit einem Lächeln. „Es war hip, cool, aber eingemauert.“ Die Mauer war allgegenwärtig, doch die Stadt sprühte vor Leben. Der Kurfürstendamm, damals ein Magnet mit Diskotheken wie das Big Eden oder den legendären Dschungel, war für den jungen Fitzek ein Symbol für Freiheit und Abenteuer. „Die Achtziger waren prägend“, sagt er. „Man ging aus, tanzte, fühlte sich lebendig.“ Die Wende 1989 veränderte alles. Fitzek, damals 18, stand auf der Mauer am Brandenburger Tor und spürte, wie Geschichte geschrieben wurde. „Es war ein unglaubliches Lebensgefühl“, erinnert er sich. Die Aufbruchstimmung, die Berlin in jenen Tagen durchzog, prägte ihn tief. Filme wie „Good Bye, Lenin!“ fangen für ihn diese Magie ein – die Nächte auf Dächern, die improvisierten Kneipen in Untergrundlagern, die pure Lebensfreude. Doch mit der Öffnung kam auch der Wandel: West-Berlin verlor an Coolness, während der Ostteil zur neuen Bühne der Szene wurde. „Plötzlich war Friedrichshain angesagter als Schöneberg“, sagt Fitzek.

Bevor Fitzek die Literatur erobert, führt ihn sein Weg durch die Medienwelt. Nach einem Jurastudium arbeitet er als Journalist und später als Programmdirektor bei verschiedenen Radiosendern. Doch die Routine der Festanstellung reicht ihm nicht. „Ich wollte meinen Namen auf etwas stehen haben“, erklärt er. In seiner Zeit als Radioberater, in der er durch Europa reist, beginnt er, in Hotels und an Flughäfen, mit der Arbeit an seinem ersten Roman. Der Durchbruch kommt jedoch nicht über Nacht. „Als ich die Zusage für mein erstes Buch bekam, war ich gerade wieder bei 104.6 RTL als Chefredakteur eingestiegen“, erzählt Fitzek. Die Veröffentlichung lässt zwei Jahre auf sich warten – typisch für die gemächlichen Mühlen der Verlagsbranche. 

Textbox: Die Freude am Schreibprozess treibt ihn zu Höchstleistungen. Für Sebastian Fitzek bleibt das Buch sein Kernmedium.
Portrait Dr. Sebastian Fitzek, Bestseller-Thrillerautor

Der entscheidende Moment kommt, als Fitzek alles auf eine Karte setzt. Bei einer Auflage von 3.000 Exemplaren scheint der Erfolg unwahrscheinlich. Doch anstatt sich auf den Verlag zu verlassen, investiert er sein Geld in eine Managerin und eine PR-Agentur, die seine Karriere professionell begleiten sollen. „Wenn ich nicht an mich glaube, warum sollte ein Verlag es tun?“, fragt er. Das Risiko zahlt sich aus: Sein Debüt „Die Therapie“ wird zum Sensationserfolg, Fitzek avanciert zum Star der deutschen Thrillerszene. 

Berlin als Bühne der Finsternis. Die Hauptstadt ist in Fitzeks Romanen nicht Hintergrund – sie ist ein Protagonist. Von der noblen Insel Schwanenwerder, die in „Die Therapie“ eine düstere Rolle spielt, bis zum Bahnhof Zoo, Symbol für Freiheit wie für Verfall, nutzt Fitzek die Kontraste der Metropole, um Spannung zu erzeugen. „Berlin ist eine Stadt des Umbruchs. Hier gibt es alles – vom historischen Schloss Charlottenburg bis zur allgegenwärtigen Transformation.“ Schwanenwerder fasziniere ihn besonders: Als Student sei er zufällig über die Insel gefahren, habe die morbide Schönheit der verlassenen Villen gespürt und ihre dunkle, von Nazigrößen geprägte Geschichte entdeckt. „Man fragt sich: Wie sieht es hinter den Kulissen aus?“, erinnert er sich. Fragen wie diese treiben seine Geschichten an. 

Fitzeks Thriller sind authentisch, weil er die Stadt kennt wie seine Westentasche. „Als ich anfing, spielte mein erster Entwurf an der Ostküste der USA“, sagt er. Doch sein Agent Roman Hocke stellte die entscheidende Frage: „Wo kennen Sie sich aus?“ Die Antwort war klar: Berlin. Die Handlung nach Berlin zu verlegen, machte die Geschichte glaubwürdig und lebendiger. „Man merkt es, wenn ein Autor nur im Urlaub war“, sagt Fitzek. „In Berlin habe ich gelebt.“ 

Die Faszination des Dunklen – was treibt einen Mann dazu, Geschichten über psychische Abgründe, Manipulation und Tod zu schreiben? Für Fitzek ist es die Auseinandersetzung mit einem Thema, dem niemand entkommt: die Sterblichkeit. „Die meisten verdrängen den Tod“, sagt er. „Aber irgendwann zwingt dich das Leben, dich damit zu beschäftigen – sei es durch ein Testament oder eine Vorsorgevollmacht.“ In seinen Büchern bietet er Leserinnen und Lesern einen sicheren Raum, um sich mit diesen Ängsten auseinanderzusetzen. „Es ist wie eine Achterbahnfahrt“, erklärt er. „Man erlebt die Angst, ohne wirklich zu fallen.“ Seine Recherchen sind legendär. Für die Figur der blinden Alina Gregoriev in „Der Augensammler“ sprach er mit 20 blinden Menschen, um ihre Welt zu verstehen. „Ich bin an den kleinsten Dingen gescheitert“, berichtet er. „Macht eine Blinde das Licht an? Hat sie Bilder an den Wänden?“ Die Begegnungen mit der Blinden-Community waren so inspirierend, dass aus dem geplanten Einzelroman eine Trilogie wurde. „Ihre Welt ist nicht so dunkel, wie man denkt“, sagt Fitzek. Diese Erfahrung prägte ihn. 

Portrait Dr. Sebastian Fitzek, Bestseller-Thrillerautor, an einem Tisch sitzend

Der Erfolg hat Fitzek nicht verändert, zumindest nicht im negativen Sinne. „Erfolg entlarvt den Menschen“, zitiert er Max Frisch. „Ein nervöser Mensch wird nervöser, ein eingebildeter noch eingebildeter.“ Doch Fitzek wirkt geerdet. Als Vater von fünf Kindern schätzt er die Verantwortung, die mit einer Familie kommt. „Die Älteste liest Young Adult, die jüngeren Mangas“, erzählt er lachend. Sein 13-jähriger Sohn hielt ein Referat über Stephen Kings „Shining“ – ein Zeichen, dass die nächste Generation die Liebe zu spannenden Geschichten teilt. Auch beruflich bleibt Sebastian Fitzek seinen Wurzeln treu. „Ich rate Autoren, so lange wie möglich in ihrem Brotberuf zu bleiben“, sagt er. „Die besten Geschichten kommen aus dem Leben.“ Seine Zeit beim Radio, die Begegnungen mit „verhaltensauffälligen Menschen“ prägen seine Werke bis heute. Selbst als Bestsellerautor nahm er noch an Redaktionskonferenzen teil, um den Puls der Zeit zu spüren. 

Berlin verändert sich und mit ihm Fitzeks Geschichten. Gentrifizierung, die wachsende Obdachlosigkeit, neue soziale Spannungen: All das fließt in seine Romane ein. „Die Zunahme der Obdachlosigkeit ist ein Problem, das nicht mehr totgeschwiegen werden kann“, sagt er. Orte wie der Bahnhof Zoo, einst Symbol für die Freiheit seiner behüteten Jugend, werden zu Schauplätzen des Verfalls. Doch Fitzek bleibt optimistisch: „Wir müssen kämpfen, damit Berlin seine Freiheit behält.“ Die Stadt, die von der Loveparade bis zum CSD für Vielfalt steht, dürfe nicht kippen. Auch wenn seine Bücher inzwischen verfilmt werden, er Spiele und interaktive Formate entwickelt, bleibt Fitzek dem Buch treu. „Das Buch ist mein Kernmedium“, betont er, „es wird noch lange existieren.“ Die Haptik eines Buchs, der Schreibprozess – das ist es, was ihn antreibt. Neue Medien sind spannend, aber das geschriebene Wort bleibt unersetzlich. 

Die Dunkelheit ergründen, ohne sich in ihr zu verlieren: Sebastian Fitzeks Geschichten sind ein Spiegel der menschlichen Seele mit all ihren Abgründen, und diese Spiegel werden weiterhin die Bühne für seine Thriller sein. „Hier ist alles möglich“, sagt er. „Vom amerikanischen Präsidenten bis zum Dönerverkäufer – in Berlin trifft man sie alle.“ Mit Disziplin, Neugier und einem Gespür für die Abgründe des Lebens schreibt Fitzek Geschichten, die Leserinnen und Leser weltweit fesseln. Sebastian Fitzek ist ein Berliner, der seine Stadt liebt – und sie als Vollblutautor in all ihrer Schönheit und Düsternis verewigt.

Text: Christian Bracht
Fotos: Doro Zinn

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