Portrait von Prof. Dr. Hilgert, dem Präsidenten der UdK Berlin, vor einer grauen Tür stehend.

© Norman Konrad / https://normankonrad.de/
Prof. Dr. Markus Hilgert

Wächter eines Freiraums

Nach mehr als einem Jahrzehnt Museums- und Stiftungsarbeit führte sein Weg zurück an die Hochschule: der neue UdK-Präsident Professor Markus Hilgert über künstlerische Freiheit, kulturelle Resilienz und den Mut zur Veränderung

Die Spätsommersonne durchflutet das noch spärlich möblierte Büro im Hauptgebäude der Universität der Künste Berlin (UdK) und taucht die Büste von Karl Hofer in warmes Licht. Der erste Präsident der UdK nach dem Zweiten Weltkrieg scheint wohlwollend auf seinen Nachfolger zu blicken, während dieser einen aromatischen Espresso serviert. Die Szene hat etwas Symbolisches. Es begegnen sich Tradition und Aufbruch, Vergangenheit und Zukunft einer Institution, die die deutsche Kulturgeschichte geprägt hat.

„Ich weiß, was es bedeutet, auf einer Bühne zu stehen“, sagt Hilgert und lehnt sich in seinem Stuhl zurück. Sein Blick wandert kurz zu einem Stapel noch unausgepackter Kartons, bevor er fortfährt: „Ich weiß, was es bedeutet, lange proben zu müssen. Und ich weiß auch, wie schlimm es ist, wenn man seinem eigenen Anspruch nicht gerecht wird.“ Als die Limburger Domsingknaben in den 1980er-Jahren ihre anspruchsvollen Programme proben, ahnt der junge Hilgert noch nicht, dass diese intensive musikalische Praxis einmal zum Kompass seiner Berufslaufbahn werden würde. Heute, als frisch gewählter Präsident der Universität der Künste Berlin, kehrt er zu diesen Wurzeln zurück – mit gesammeltem Wissen aus einer beeindruckenden Karriere als Wissenschaftler und Kulturmanager. Die Empathie für den künstlerischen Schaffensprozess sei fundamental für seine neue Aufgabe, sagt der promovierte Philologe und Kulturwissenschaftler.

Der Wechsel von der Position als Generalsekretär und Vorstand der Kulturstiftung der Länder zu der des Präsidenten der größten Kunsthochschule Deutschlands kam nicht überraschend. Hilgert hatte sich bewusst in einer Zeit beworben, „in der es für Universitäten schwierig war, ihre Freiheit zu verteidigen“. Und das ist es immer noch. Seine Mission: die UdK als freie Wissenseinrichtung zu stärken und gleichzeitig vor politischen Eingriffen zu schützen. Hilgert sieht sich als Wächter eines Freiraums, der zunehmend bedroht erscheint. „Universitäten und insbesondere künstlerische Hochschulen stehen als Orte, an denen Wissenschafts- und Kunstfreiheit gilt, noch stärker unter Druck als andere Institutionen“, analysiert er die Lage.

Portrait von Prof. Dr. Hilgert, dem Präsidenten der UdK Berlin, an einem Flügel sitzend und Klavier spielend.

Der Spagat sei dabei besonders komplex. Einerseits müsse die Universität kritisch sein, gesellschaftliche Debatten aufnehmen und provozieren. Andererseits dürfe sie sich nicht so stark politisieren, dass sie selbst zum Ziel politischer Repression wird. „Das ist ein schmaler Grat“, sagt Hilgert. Mit großer Sorge blicke er auf die Entwicklungen in den USA, wo politische Einflussnahme auf Universitäten bereits drastische Ausmaße angenommen habe. Seine Strategie: Er will die UdK resilient machen gegen Angriffe „aus ganz unterschiedlichen Richtungen“. Denn sie seien nicht nur politischer Natur, sondern umfassten auch Herausforderungen durch Finanzkürzungen, technologischen Wandel und die Integration künstlicher Intelligenz in künstlerische Prozesse.

Hilgerts Vergangenheit als Altorientalist prägt seinen Blick auf gegenwärtige Konflikte. Seine Beschäftigung mit den Gesellschaften des antiken Zweistromlands – Kulturen, die für mehr als drei Jahrtausende Bestand hatten – verleiht ihm eine historische Gelassenheit. „All das hat es schon gegeben: Migration, Integration, kulturelle Aushandlungsprozesse, Rassismus“, erklärt er. „Aber eben unter anderen Voraussetzungen.“ Deshalb warnt der Wissenschaftler vor falscher Sorglosigkeit. Die heutige Dimension der Bedrohungen sei eine neue: „Was wir heute an Potenzial für Massenvernichtung haben, das hat es so in der Geschichte nicht gegeben. Und was wir heute an Potenzial für die Zerstörung der Umwelt und des Klimas haben, das hat es auch in der Form noch nie gegeben.“

Diese Perspektive einzunehmen helfe ihm, die Parallelen zwischen Museumsarbeit und Hochschulführung zu erkennen. „Was wir hier tun, ist immer auch Weitergabe von Wissensbeständen, die über Generationen hinweg überliefert wurden“, sagt Markus Hilgert. Ob beim Erlernen des Barockcello-Spiels oder der Operngesangstechnik – stets gehe es um die „lebendige Erhaltung eines materiellen und immateriellen kulturellen Erbes“. Während er sich in früheren Jahren als Altertumswissenschaftler mit der Vergangenheit der Kulturen beschäftigte, gehe es ihm nun darum, „einen Beitrag zur Zukunft der Künste zu leisten“. Die UdK sieht er als den Ort, an dem diese Zukunft entsteht: „Die Zukunft der Kultur, die Zukunft der Künste, ist hier.“

Für Hilgert liegt der besondere Wert der UdK in ihrer Struktur als Universitas – der Vereinigung aller künstlerischer Disziplinen unter einem Dach. „Die Universitas wird dann produktiv und spannend, wenn die unterschiedlichen Disziplinen miteinander ins Gespräch kommen“, betont er. Diese interdisziplinäre Dimension möchte er stärken und nach außen kommunizieren. „Wir verstehen uns nicht als Ansammlung von Kunsthochschulen, sondern als Institution, die alle Künste und die darauf bezogenen Wissenschaften zusammendenkt.“ Trotz ihrer Größe – mit mehr als 4000 Studierenden ist sie weltweit eine der größten Kunsthochschulen – kommuniziere die UdK ihre Leistungen noch nicht „offensiv genug“.

Portrait von Prof. Dr. Hilgert, dem Präsidenten der UdK Berlin, auf einem Stuhl im Zuschauerraum des Konzertsaals der Udk sitzend. © Norman Konrad / https://normankonrad.de/

Besonders herausfordernd ist für Hilgert der Umgang mit der Diversität einer internationalen Hochschule. An der UdK leben und arbeiten Menschen „aus so vielen Ländern mit so vielen unterschiedlichen historischen, kulturellen, gesellschaftlichen Prägungen miteinander“ – mit durchaus widerstreitenden Interessen. Seine Strategie: „Alle Verletzungen und Kränkungen zunächst einmal ernst nehmen.“ Wichtig sei es, „eine Kultur der Offenheit zu schaffen, in der alle über ihre Erfahrungen sprechen können – ohne andere zu verletzen“. Gleichzeitig müsse verhindert werden, dass bestimmte Stimmen zu laut und andere zurückgedrängt werden, oder dass Hass zum Ausdruck gebracht wird. „Die Grenzen zwischen dem, was grundgesetzlich sagbar ist, und dem, was aus ethischer Sicht vertretbar ist, sind nicht immer deckungsgleich“, räumt Hilgert ein. Der Abwägungsprozess sei deshalb „enorm schwierig“. Hinzu komme das Phänomen des politischen Aktivismus, der „teilweise auch von außen gesteuert“ sei und die Universität als politische Bühne nutze.

Die drastischen Kürzungen im Berliner Kulturetat– bis zu 15 Prozent – sieht Hilgert pragmatisch. Ja, sie täten weh und bedeuteten schmerzhafte Einschnitte. Aber sie böten auch die Chance zur Selbstreflexion: „Wer bin ich? Was ist mir wichtig? Was ist unverzichtbar?“ Aus dem Sparvolumen sollen neue Impulse entstehen – bei neuen Technologien, anderen Kunstformen oder stärkeren Verbindungen zur Wirtschaft. „Das halte ich zunächst nicht für grundsätzlich schlecht“, sagt Hilgert. „Das ist eine Herausforderung, die die Chance in sich trägt.“

Portrait von Prof. Dr. Hilgert, dem Präsidenten der UdK Berlin.

Privat beschreibt sich Hilgert als Menschen mit „wahnsinniger, tiefer Liebe für alles, was mit Kultur und Kunst zu tun hat“. Seine Interessen reichen von Malerei bis zu generativer KI, Musik könne er nicht entbehren. Die neue Aufgabe betrachtet der UdK-Präsident als Geschenk: „Zu einem Zeitpunkt, an dem sich andere auf den Ruhestand vorbereiten, kann ich mich noch einmal verändern, ausdehnen, dumm machen und vieles neu lernen.“ Erfolg messe er daran, ob er in fünf Jahren „weniger Markus Hilgert und dafür mehr Universität der Künste“ geworden sei.

Denn Demut und Respekt seien in einer Leitungsposition entscheidend – im Wissen um die begrenzte Amtszeit und den begrenzten Gestaltungsraum. Jungen Künstlerinnen und Künstlern gibt Hilgert mit auf den Weg, dass die Welt immer unsicher gewesen sei, besonders für Menschen in prekären kreativen Berufen. Wichtig sei es, „seinem Stern und seiner Vision zu folgen“. Gleichzeitig wünscht er sich, dass künstlerische Kreativität „in den Dienst der Gesellschaft insgesamt gestellt wird“ – nicht als Instrumentalisierung, sondern aus dem Wissen heraus, dass „eine freiheitliche Gesellschaft ohne Kunst nicht existieren kann“.

Text: Christian Bracht
Fotos: Norman Konrad
Datum: Oktober 2025

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