Wertschöpfung aus Wissenschaft

Dr. Andreas Eckert machte die Eckert & Ziegler Gruppe zu einem der weltweit größten Hersteller für radioaktive Komponenten in der Medizin- und Messtechnik. Dabei pflegt er seine Leidenschaft für das Gründen von Unternehmen, um Innovationen aus den Lebenswissenschaften auf den Markt zu bringen.

„Ich hatte immer Lust, das Ganze global aufzuziehen“, sagt Dr. Andreas Eckert über seine unternehmerischen Ambitionen. Das ist dem Gründer und heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden der Eckert & Ziegler Holdinggesellschaft gründlich gelungen. Von seinem Standort im Pankower Ortsteil Buch ganz im Nordosten Berlins aus entwickelte sich die Eckert & Ziegler Gruppe ab 1992 zu einem der führenden Hersteller radioaktiver Komponenten für Medizin- und Messtechnik, Wissenschaft und Industrie. „Wir haben das gesamte Spektrum, außer Atombombe und Kernkraft“, sagt Eckert über die leicht strahlende Produktpalette. Die etwas mehr als 1000 Angestellten arbeiten am Wissenschafts- und Technologiestandort Campus Berlin-Buch und in weiteren Niederlassungen in Europa, den USA, Argentinien, Brasilien und China.

West-Berlin, Weltfrieden, Weltmarkt: Das sind, grob umrissen, die Wegmarken im Leben von Eckert. „Ich komme aus der Stadt, in der die Sonne nie unterging: West-Berlin, drumherum war ja nur Osten“, sagt der 1960 Geborene und grinst über seinen Kaffeebecher. Von der ummauerten Stadt ging es für Eckert zum Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften nach Heidelberg. „Ich hatte eine amerikanische Freundin, die konnte mit einem Austauschprogramm nur dort studieren“, erzählt er. Was gut und schlecht war: Eckert mochte die geisteswissenschaftliche Tradition der „alten bundesrepublikanischen Universität“ mit „viel Unabhängigkeit und hoher Qualität“. Aber: „Wenn man da ein Bier trinken gehen wollte, in der naiven Annahme, dass das so wie in Berlin sein würde, waren die Kneipen um halb zehn zu“, erinnert er sich. In die Stadt ohne Sperrstunde kehrte er erst zurück, nachdem ein Stipendium des renommierten Fulbright-Programms ihn nach New York verschlagen hatte. 

Nette Beschäftigung. Zurück in Berlin münzt Eckert sein Schreibtalent und Kulturinteresse in einen Job um und wird Theaterkritiker. Er schreibt für das Stadtmagazin tip und dann für die Deutsche Presse-Agentur. Für dpa aus Berlin über Theater, Film und Literatur zu berichten sei „Champions League, ein Turbo“ gewesen. „Mehr können Sie eigentlich gar nicht erreichen in dem Genre mit dieser unglaublich weiten Verbreitung.“ Zumal Eckert Anfang der Achtzigerjahre in Berlin den „Höhepunkt des deutschsprachigen Theaters“ miterlebte, der, wie er meint, „nie wieder erreicht“ wurde. „Das war gigantisch, faszinierend und irgendwie auch eine nette Beschäftigung“, sagt der Manager.

Mit dem Journalismus-Handwerk nach New York. 1985 stieß Eckert auf eine Anzeige, in der die Vereinten Nationen einen Pressesprecher suchten. Aus einer langen Rede in 30 Minuten eine Pressemitteilung zu machen, das war für ihn reines Handwerk: „Zack, zack, zack, Mut zur Lücke. So bin ich zur UNO gekommen und habe dann mehrere Jahre den Weltfrieden gehütet.“ Das mit dem Weltfrieden ist natürlich Ironie.

Allerdings steckt für Eckert darin auch eine Erkenntnis: dass nämlich der „Gestaltungsraum in einer so großen Organisation sehr klein ist“. Zwar seien New York und die Reisen faszinierend gewesen – Eckert zählt auf, dass er in Afrika, Indien, Lateinamerika, China arbeitete. „Aber irgendwann hat man alles abgeflogen, und es hat keinen Reiz mehr“, sagt er. 
Der Titel seiner währenddessen entstehenden Doktorarbeit über die Vereinten Nationen drückt das deutlich aus: „Der unbeholfene Riese“.

Die Amerikanisierung. Was Eckert in den USA fasziniert, ist die Begeisterung für die Unternehmerkultur. Er erzählt das mit einer kleinen Geschichte: Als er zu einem Klassentreffen nach Deutschland reiste, galt es dort als Erfolg, wenn man Assistent im Vorstand eines Konzerns geworden war. „Wenn Sie so was in New York im Alter von 28 Jahren erzählt hätten, wären Sie ein ‚Social Failure‘ gewesen“, sagt er. Gerade für jene Generation habe in den USA praktisch nur das „Ethos des Gründers“ gegolten. „Es gab eine riesige Masse von Entrepreneuren, die mit der Digitalisierung groß geworden sind und gegründet haben. Die waren nicht an Konzernkarrieren interessiert.“ Da sein Aufenthalt in den USA und die Arbeitsgenehmigung an die UNO gekoppelt waren, konnte Eckert sich dort nicht selbstständig machen. Das musste
in Deutschland passieren. „Als die Mauer fiel, dachte ich, das ist jetzt meine Gelegenheit.“

PC schlägt Leitz-Ordner. In Berlin zieht Eckert 1990 eine Businessplan-Schreibagentur auf und berät Gründer. „Da die Deutschen so unheimlich technologieängstlich sind, war der Personal Computer hier noch nicht angekommen. Die haben alle mit Leitz-Ordnern gearbeitet“, sagt er. Bei ihm lief ein Vorläufer von Excel auf dem PC. „Ein paar Klicks, und fertig. Diese enorme Produktivität für kleinere Existenzgründer gab es hier noch gar nicht.“ Für Nachfrage sorgten viele arbeitslos gewordene Wissenschaftler aus der Ex-DDR. „Die haben damals den Kapitalismus beim Wort genommen und gegründet.“ Einer von ihnen war der Ingenieur Jürgen Ziegler vom Zentralinstitut für Isotopentechnik. Dieses Forschungsinstitut der Akademie der Wissenschaften der DDR wurde gerade abgewickelt.

Plötzlich Gründer. „Jürgen Ziegler sagte, sie hätten ein tolles Produkt, das bewahre Leute vor der ewigen Dunkelheit“, erzählt Eckert. Das kleine, leicht radioaktiv strahlende Plättchen konnte gezielt Augentumoren bekämpfen, sodass der Augapfel nicht entfernt werden musste. Eckert überzeugte die Idee: „Das war ein Medizinprodukt mit einem eminenten Nutzen, das den Menschen das Augenlicht erhielt“, erinnert er sich. Augenärzte waren begeistert, Krankenhäuser zahlten per Vorkasse, Lieferanten akzeptierten lange Zahlungsziele. Die 1992 von Eckert und Ziegler in Berlin-Buch „in Baracken“ mit „drei Beschäftigten“ gegründete BEBIG (Berlin-Brandenburgische Isotopen-Gesellschaft) machte im ersten Geschäftsjahr einen Umsatz von 285 000 Mark. Das weiß Eckert noch genau: „DM-West, wie Jürgen Ziegler zu betonen pflegte“, sagt er lächelnd.

Das große Glück. „Das Beste, was diesem Land in den letzten 30, 40 Jahren passiert ist, war der Neue Markt“, sagt Eckert. Deutschland entdeckte den Kapitalmarkt.“ Bei einem Umsatz von rund acht Millionen Mark nahm das inzwischen in eine Holding umgewandelte Unternehmen 1999 zehn Millionen Euro Kapital durch den Börsengang ein. Damit ging die Wachstumsgeschichte weiter: 2009 war die Schwelle von 100 Millionen Euro Umsatz erreicht, 2011 investierte das Unternehmen rund neun Millionen in eine neue Firmenzentrale für 200 Mitarbeiter in Buch, bis heute hat Eckert & Ziegler mehr als 25 Unternehmen erworben oder beteiligt sich an ihnen, was ein breites Produktspektrum sichert. „Das habe ich immer mit vorangetrieben“, sagt Eckert, der bis Mitte 2023 Vorstandsvorsitzender der Eckert & Ziegler SE war. Heute engagiert er sich dort als Vorsitzender des Aufsichtsrats. Mitgründer und -aktionär Jürgen Ziegler stieg 2001 aus der Geschäftsführung aus. Er starb Ende 2019 im Alter von 76 Jahren.

Als Multigründer aktiv. Knapp 30 weitere Firmen hat Eckert über seine Wagniskapitalgesellschaft „Eckert Life Science Accelerator“ in den vergangenen Jahren gegründet, in der Lifesciences- und Technologiebranche. Aus der Überzeugung, etwas anders zu machen: „Wissenschaft, Technologie und Innovationen zur Wertschöpfung zu bringen, das ist in Deutschland mit dem dafür fehlenden Kapitalmarkt und der tief eingefressenen Technologieskepsis eine sehr große Herausforderung.“ Eckert beklagt, dass hierzulande – anders als in den USA – der Übergang von Forschung und Patenten in marktfähige Produkte nicht funktioniere. Über die Probleme bei dieser sogenannten Translation sprach er als Sachverständiger im Wirtschaftsausschuss des Bundestages. „Die große Tragödie der Bundesrepublik ist, dass wir Innovationen bürokratisch ausbremsen und eigentlich bloß Talente fürs Ausland finanzieren“, sagt Eckert.

Noch einmal Entrepreneur. Derzeit ist Eckert vorübergehend Executive Chairman bei Pentixapharm, einer Ausgründung von Eckert & Ziegler. Das Geschäft mit Radiopharmazie, also leicht radioaktiven Medikamenten, ist etwas ganz anders als das mit Medizintechnik. Ausgründung plus Börsengang spülten 2023 rund 40 Millionen Euro in die Kasse von Pentixapharm, das zwei sehr weit gediehene Projekte zur Diagnostik und Therapie von Blutkrebs im Portfolio hat. Beim Entwickeln des jungen Unternehmens fühle er sich „wieder wie ein Entrepreneur“ und schätze das anpackende „Hands-on“. Viel Zeit für Kultur bleibt da nicht, aber das Angebot seiner Heimatstadt beeindruckt den ehemaligen Kulturkorrespondenten Eckert doch weiterhin: „Wo finden Sie das in dieser Breite sonst?“ 

Text: Marcus Müller
Foto: © Saskia Uppenkamp
Datum: März 2025

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