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Eine Stadt macht sich fit für die Zukunft

Ob Mobilität, Energieerzeugung oder Geldanlage – der Megatrend Nachhaltigkeit gibt in allen Bereichen die Richtung vor. Auch bei der Entwicklung der deutschen Kapitale: Sie setzt als „Pionierstadt“ auf eine florierende Wirtschaft durch grüne Infrastrukturkonzepte. BOb Mobilität, Energieerzeugung oder Geldanlage – der Megatrend Nachhaltigkeit gibt in allen Bereichen die Richtung vor. Auch bei der Entwicklung der deutschen Kapitale: Sie setzt als „Pionierstadt“ auf eine florierende Wirtschaft durch grüne Infrastrukturkonzepte. Berliner Start-ups zeigen, wie das geht.erliner Start-ups zeigen, wie das geht.

In ganz Europa arbeiten Stadtplaner, Architekten, Unternehmer und Bürger daran, Städte nachhaltig zu entwickeln. Sie sollen lebenswert und zukunftsfähig werden, indem Wirtschafts-, Umwelt- und Gesellschaftsaspekte gleichermaßen Beachtung finden: solide Bedingungen für widerstandsfähige Unternehmen, ein möglichst kleiner ökologischer Fußabdruck und Zugang für alle zu essenziellen Dingen wie Bildung oder Wohnraum. In den vergangenen Jahren wurden Modellprojekte wie der Stockholmer Stadtteil Hammarby Sjöstad entwickelt. Dort sind Verbrauch und Emissionen nur halb so hoch wie im schwedischen Durchschnitt, die Hälfte der Energie wird vor Ort produziert – unter anderem mit dem eigenen Abfall, der durch unterirdische Leitungen in eine Biogasanlage gelangt. Doch längst ist eine mustergültige Stadtentwicklung nicht mehr auf einzelne Viertel oder kleine Orte beschränkt.

Lena Horlemann, Vorständin des Vereins Berlin 21, sieht die Metropole Kopenhagen als Vorbild: „Die dänische Hauptstadt ist definitiv Vorreiterin in Sachen grüner und nachhaltiger Stadtplanung. Sie ist weltweit bekannt für ihre Fahrradinfrastruktur. Fast zwei Drittel der Kopenhagener Bevölkerung pendeln täglich mit dem Fahrrad, was den CO₂-Ausstoß erheblich reduziert.“ Doch das sei nicht alles, sagt Horlemann: „Beispielsweise wird das Ziel verfolgt, dass alle Bürgerinnen und Bürger maximal 300 Meter von einer Grünfläche entfernt leben.“

Ein weiterer Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit ist Paris. In der französischen Hauptstadt setzt man laut Horlemann auf „Verkehrsberuhigung, mehr Grün und höhere Aufenthaltsqualität“. Zu den Vorzeigeprojekten zählt Clichy-Batignolles, ein energieeffizientes Ökoviertel auf einem ehemaligen Bahngelände. 35 000 Quadratmeter Solarpaneele erzeugen 40 Prozent des verbrauchten Stroms, Heizung und Warmwasser stammen zu 85 Prozent aus Geothermie, und der Müll wird wie in Hammarby Sjöstad nicht per Lkw, sondern unterirdisch transportiert. Mit 3400 Wohnungen, 50 Prozent davon sozial gefördert, Schulen und einem Kulturzentrum sowie 140 000 Quadratmeter Büros und Geschäften verbindet das neue Quartier Leben und Arbeiten, Nachhaltigkeit und Wirtschaft.

Auch in Berlin liegt der Fokus auf nachhaltiger Stadtentwicklung. Laut seinem Stadtentwicklungskonzept will Berlin zur „Pionierstadt in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz“ werden. Immerhin sieht das Beratungsunternehmen Arcadis die deutsche Metropole in Sachen Nachhaltigkeit weltweit auf Platz 8. Die „BerlinStrategie 3.0“ setzt auf eine florierende Wirtschaft, bezahlbaren Wohnraum, grüne Mobilität und energieeffiziente Gebäude. Das landeseigene Unternehmen Grün Berlin will mit nachhaltiger Infrastruktur Klimaschutz und -resilienz, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern. Grün Berlin bewirtschaftet unter anderem 800 Hektar freie Flächen in Berlin, zu denen der Park am Gleisdreieck zählt, der 2013 auf einem brachliegenden Bahngelände zwischen Kreuzberg und Schöneberg entstand. Hier finden die rund 30 000 Anwohner große Liegewiesen, Spielplätze, naturbelassene Biotope, Boulebahnen, Beachvolleyballplätze, einen Skatepark – und die angesagte Craftbier-Brauerei Brlo, die hier braut und ein Restaurant mit Biergarten betreibt.

© ecoworks

 

Zur nachhaltigen Entwicklung tragen in Berlin aber nicht nur die Politik oder Landesunternehmen bei, sondern auch viele engagierte Bürgerinnen und Bürger. Berlin-21-Pressesprecherin Cosmea Christoleit erklärt, wie der Verein die Stadt nachhaltig entwickeln will: „Uns geht es um den Aufbau starker Partnerschaften zwischen lokalen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft sowie Kommunikationsräume für den Austausch zu Themen der nachhaltigen Transformation von Stadt und Gesellschaft. Mit Workshops, Veranstaltungen, Unterstützungsangeboten und Aktionen motiviert Berlin 21 Bürgerinnen und Bürger, selbst aktiv zu werden und Berlin zu einem Modell für nachhaltige Urbanität zu machen.“

Neben Berlin 21 gibt es viele weitere Initiativen, die sich für nachhaltige Stadtentwicklung einsetzen. 43 von ihnen haben sich im Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung zusammengeschlossen, um Grün-, Spiel- und Sozialflächen wie das Tempelhofer Feld – den ehemaligen Flughafen – zu erhalten. Sie sollen zu einer lebenswerten Stadt beitragen. Und auch innovative Unternehmen engagieren sich in der nachhaltigen Stadtentwicklung.

Das Berliner Start-up ecoworks saniert Mehrfamilienhäuser energetisch und ist ein Musterbeispiel dafür, wie Wirtschaft und Nachhaltigkeit voneinander profitieren können. Das Besondere am ecoworks-Ansatz: Die zu sanierenden Gebäude werden zunächst digital erfasst. Auf dieser Basis werden in einer Fabrik individuelle Gebäudehüllen in Serie hergestellt, mit denen die Häuser dann umbaut werden. Marc Becker, Vice-President Sales & Marketing bei ecoworks, sagt: „Wir verlagern bis zu 80 Prozent der Arbeiten in die Fabrik und können dadurch die Bauzeiten halbieren. In der Fabrik erzielen wir im Vergleich zur manuellen Fertigung eine höhere Energieeffizienz und weniger Mängel. Zudem setzen wir auf ökologische Baustoffe, die später in die Kreislaufwirtschaft zurückgeführt werden können.“ Die serielle Sanierung mache es möglich, auch große Objekte schnell und mit hoher Qualität energetisch zu sanieren. Im Durchschnitt dauert das laut Becker fünf Monate. Die Menschen, die in den sanierten Gebäuden wohnen, seien oft positiv überrascht, wie schnell die Baustellen eingerichtet und abgeschlossen werden. Ein weiterer Punkt sticht laut Becker besonders hervor: „Begeisterung entfacht natürlich der geringe Energieverbrauch.“

Ist die Stadt der Zukunft grün, oder werden wirtschaftliche und geopolitische Krisen diesen Trend aufhalten? Lena Horlemann von Berlin 21 ist sich sicher: „In den nächsten 20 Jahren werden wir eine deutliche Veränderung der Städte hin zu mehr Nachhaltigkeit erleben.“ Trotz aller Herausforderungen sei das wegen des Klimawandels erforderlich: „Auch wenn viele Prozesse in der Realität schwieriger umzusetzen sind, als es so manches Konzeptpapier vorsieht, so führt doch kein Weg daran vorbei.“

Für Marc Becker von ecoworks ist die „grüne Revolution“ schon heute keine ferne Zukunftsvision mehr. Er prophezeit: „Green Cities, also Städte mit Fokus auf nachhaltiger Entwicklung und ökologischer Lebensqualität, sind erreichbar. Wir glauben, dass ein Gleichgewicht zwischen urbanem Wachstum, Umweltschutz und sozialer Verantwortung geschaffen wird, um die negativen Auswirkungen der Urbanisierung auf Mensch und Natur zu minimieren.“ 

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