Das Foto zeigt eine Technikerin bei der Arbeit in einem Rechenzentrum.

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Im Rausch der Daten – Rechenzentrumsboom in Berlin-Brandenburg

Wirtschaftsfreundliche Politik, eine stabile Energieversorgung und die lebendige Digitalwirtschaft machen die Region um die Hauptstadt zu einem Hotspot für internationale Investoren im Bereich Datacenter. Mit dem dynamischen Wachstum steigen jedoch auch die Anforderungen.

Früher galten Rechenzentren als riskante Investitionen, heute zählen sie zu den stabilsten und krisensichersten Geschäftsfeldern. Dennoch besteht in Deutschland erheblicher Nachholbedarf beim Ausbau der digitalen Infrastruktur. Die rapide wachsenden Datenvolumen lassen für leistungsfähige, sichere Rechenzentren die Nachfrage stetig steigen. „Rechenzentren sind das Rückgrat der Digitalisierung. Kaum ein Unternehmen oder Privathaushalt kommt ohne ihre Leistungen aus, auch die öffentliche Verwaltung ist ohne Rechenzentren nicht mehr arbeitsfähig“, betont Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Region Berlin-Brandenburg an Bedeutung. Sie entwickelt sich zum zweitwichtigsten Rechenzentrumsstandort Deutschlands nach dem Rhein-Main-Gebiet. Bei einer installierten IT-Leistung von derzeit etwa 140 Megawatt sind bis 2030 zusätzliche Kapazitäten von rund 900 Megawatt geplant – eine mehr als sechsfache Erweiterung.

Ein prägnantes Beispiel für die Entwicklung liefert Amazon Web Services (AWS): Bis Ende 2025 will der Konzern rund 7,8 Milliarden Euro in den Aufbau der „AWS European Sovereign Cloud“ investieren, mit dem Schwerpunkt Brandenburg. Dort werden im Rahmen des Großprojekts mehrere neue Rechenzentren entstehen. Auch der britische Rechenzentrumsbetreiber Virtus Data Centres will Brandenburg als strategischen Knotenpunkt für Hochleistungsrechner, Cloud-Services und Anwendungen künstlicher Intelligenz nutzen. Als Co-Location-Anbieter errichtet Virtus auf einem 35 Hektar großen Gelände in Wustermark einen Campus mit neun Gebäuden und einer IT-Leistung von 204 Megawatt. Das Projekt mit einer Investitionssumme von knapp vier Milliarden Euro zählt zu den größten und energieeffizientesten in Europa. Neben AWS und Virtus reiht sich NTT Global Data Centers mit einem bedeutenden Projekt ein. In Brieselang sollen Rechenzentren auf 10,8 Hektar mit einer Kapazität von 96 Megawatt entstehen. Sie ergänzen die bestehenden Berliner Standorte des Unternehmens.

Solche Investitionen stärken die Region Berlin-Brandenburg als zentrale Drehscheibe digitaler Infrastruktur. Brandenburg profitiert dabei von seiner Nähe zu Berlin, einem der am schnellsten wachsenden Rechenzentrumsbrennpunkten Europas. Zugleich stellt das Land größere, gut angebundene Areale bereit – im Gegensatz zu anderen deutschen Metropolregionen, in denen geeignete Flächen knapp und teuer sind.

„Brandenburg bietet ein optimales Umfeld für Rechenzentren“, betont Günter Eggers, Director Public für die EMEA-Region bei NTT Global Data Centers. Für sein Unternehmen, das sich als weltweit drittgrößter Betreiber von Rechenzentren positioniert, sieht er die Verfügbarkeit von Strom als wichtigsten Faktor. Konkret bedeute dies den Zugang zu sauberer Energie sowie eine zuverlässige und skalierbare Energieversorgung. „Beim Aufbau einer Infrastruktur, die für künstliche Intelligenz geeignet ist, müssen wir darüber hinaus sicherstellen, dass unsere Standorte rechenintensive Workloads unterstützen können, ohne unsere Klimaziele zu gefährden“, erläutert der Manager.

Entscheidend sei nicht zuletzt, dass Ausbau und Bereitstellung zeitgerecht erfolgen. Die größte Herausforderung besteht für Eggers darin, der Entwicklung beim Strombedarf immer einen Schritt voraus zu sein: „Auch wenn Brandenburg dafür gute Voraussetzungen bietet, können Netzausbau und Bereitstellungsfristen – insbesondere auf Ebene der Verteilnetzbetreiber – weiterhin zu Engpässen führen“, sagt Eggers.

Portrait von Günter Eggers, Director Public von NTT Global Data Centers EMEA

Günter Eggers, Director Public von NTT Global Data Centers EMEA

Portrait von Patrick Lieberkühn, Gesellschafter des Immobilienentwicklers AM:PM Grund

Patrick Lieberkühn, Gesellschafter des Immobilienentwicklers AM:PM Grund

Die Politik flankiert diese Entwicklung. „Die Landesregierung ist sich bewusst, dass eine gut ausgebaute, digitalisierte Infrastruktur in allen Teilen des Landes ein wichtiger Schlüssel ist, um den Wirtschaftsstandort Berlin-Brandenburg und die hier agierenden Unternehmen nachhaltig wettbewerbs- und zukunftsfähig zu halten“, teilt das Brandenburger Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz auf Anfrage mit. Die Metropolregion Berlin-Brandenburg habe die Größe Belgiens, die Einwohnerzahl Dänemarks und aktuell die Wirtschaftsleistung Tschechiens und erreiche damit eine Dimension, die für Betreiber von Rechenzentren strategisch attraktiv sei. „Die geplanten Investitionen großer Cloudanbieter unterstreichen die Relevanz des Landes Brandenburg als wichtigen IT-Standort“, so das Ministerium. „Gleichzeitig sind die Investitionen ein wichtiges Signal zur Stärkung der digitalen Infrastrukturen, nicht nur in Brandenburg, sondern in ganz Deutschland und Europa.“

Patrick Lieberkühn, Geschäftsführender Gesellschafter der AM:PM Grund Unternehmensgruppe, die sich auf die Entwicklung von Rechenzentren, Wohn- und Gewerbeimmobilien in Berlin und Brandenburg spezialisiert, hebt die Vorteile hervor: „Rechenzentren generieren erhebliche Gewerbesteuereinnahmen, ermöglichen die Nutzung ihrer Abwärme gemäß den Vorgaben des Energieeffizienzgesetzes und verursachen wenig Lärm oder Verkehr – sie sind somit kein ‚störendes‘ Gewerbe.“ Ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor bleibt für ihn die verlässliche und nachhaltige Stromversorgung. „Während in Frankfurt kaum noch Stromkapazitäten für Rechenzentren verfügbar sind, bot Brandenburg bisher noch ausreichend Netzressourcen.“ Die Einspeisung grüner Energie steigere die Standortattraktivität zusätzlich: Rückenwind erhält diese Entwicklung nach Ansicht von Lieberkühn durch die Vorgabe, dass ab 2027 neue Rechenzentren in Deutschland klimaneutral betrieben werden müssen.

Virtus Data Centres setzt vor diesem Hintergrund vollständig auf erneuerbare Energien und profitiert von der Anbindung an Umspannwerke und leistungsfähige Windparks. Die Expansion der Rechenzentren stellt das ohnehin stark beanspruchte Stromnetz jedoch vor Herausforderungen. „Die rasante Expansion von KI- und Cloud-getriebenen Rechenzentren erfordert riesige Strommengen, die über das Hochspannungsnetz bereitgestellt werden“, erläutert Fabian Halfar. Mit seinem Kommilitonen Niklas Steinke hat er seine Masterarbeit am Center for Metropolitan Studies an der TU Berlin über den Serverboom geschrieben. „Dieses Netz hat jedoch begrenzte Kapazitäten, die durch den Anschluss großer Rechenzentren reserviert und vereinnahmt würden. In Städten wie Berlin würde dies dazu führen, dass das Stromnetz zu einer knappen Ressource wird, die vor allem von wenigen Akteuren aus der Techbranche beansprucht wird, deren Wertschöpfung aber anderswo stattfindet.“

Als „digital induzierten Infrastruktur-Extraktivismus“ bezeichnen Halfar und Steinke dieses Phänomen. Darüber hinaus setze die Vereinnahmung des Hochspannungsnetzes andere Unternehmen, die ebenfalls auf große Strommengen angewiesen sind, unter Druck. „Verschiedene Akteure, die wir in unserer Fallstudie untersucht haben, beschreiben bereits Fälle, in denen Unternehmen aus Kapazitätsmangel keine Anschlüsse mehr genehmigt bekommen“, berichten die Wissenschaftler. Und neben der Energieversorgung gibt es einen weiteren limitierenden Faktor: den Flächenbedarf. Für 300 Megawatt IT-Leistung werden etwa 20 Hektar Fläche benötigt, die Schaffung der baurechtlichen Voraussetzungen erweist sich häufig als komplex und langwierig. Projektentwickler Lieberkühn von AM:PM Grund warnt: „Bis 2030 sind diese Kapazitäten für große Entwicklungen nahezu ausgeschöpft.“

Gelingt es Berlin-Brandenburg, die auf lange Sicht absehbaren Strom- und Flächenengpässe zu bewältigen, kann die Region im Wettbewerb um die digitale Zukunft weiter glänzen und als Modell für innovative, ressourcenschonende IT-Infrastruktur dienen.

Text: Christian Euler
Fotos: © Katja Hoffmann (Patrick Lieberkühn), © NTT Global Data Centers (Günter Eggers)
Datum: Oktober 2025

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