Freiheit oder Verantwortung: Welche Mobilitätskonzepte
benötigt Berlin?

Schnell und sicher ans Ziel gelangen, das wünschen sich die Einwohner und Gäste der Hauptstadt. Was es braucht, um diesen Wunsch Realität werden zu lassen, dazu beziehen Expertinnen und Experten verschiedener Branchen und Institutionen Stellung.

Portrait Anke Schmidt, Geschäftsführerin Nuts One GmbH  © Maximilian Power

Anke Schmidt, Geschäftsführerin Nuts One GmbH
© Maximilian Power

„Berlin braucht Mobilitätskonzepte, die Freiheit und Verantwortung miteinander verbinden. Freiheit heißt: Mut zu neuen Wegen, die Förderung innovativer Angebote und konsequente Nutzung digitaler und technologischer Entwicklungen – zum Beispiel autonome Fahrzeuge im ÖPNV. Verantwortung bedeutet: Mobilität nachhaltig und zukunftsfest gestalten, mit sicheren Radwegen, Kiezblocks und attraktiven Fußwegen. Wo motorisierter Verkehr nötig ist, braucht es eine Antriebswende. Der ÖPNV muss ausgebaut und gestärkt, der Autoverkehr deutlich reduziert werden. Mobilität in Berlin soll für alle zugänglich, bezahlbar, barrierefrei und gerecht sein – und gleichzeitig klimaresilient. Zukunftsfähige Mobilität orientiert sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen und bietet eine echte Alternative zum privaten Auto.“

„Die individuelle Wahlfreiheit bleibt wichtig, erfordert jedoch Rahmenbedingungen, die unter anderem die Herausforderungen des Klimawandels wie auch eine effiziente Flächenverteilung adressieren. Neben einer zukunftsfähigen Infrastruktur sollten stärker ökonomische Anreize gewählt werden, um Ressourcen-, Umwelt- und Flächenverbrauch zu adressieren. Städte wie Kopenhagen, Paris und Barcelona zeigen, wie zukunftsgerichtete Mobilität und lebenswerte Städte gestaltet werden können. Berlin sollte seinen eigenen Weg gehen und sich – neben dem starken ÖPNV und der Förderung aktiver Mobilität wie Radfahren – noch stärker als Experimentierraum für innovative Mobilitätslösungen etablieren. Die vielfältigen Sharing-Angebote sind ein gutes Beispiel. Selbst fahrende Taxiflotten, die weniger gut mit ÖPNV und Sharing-Angeboten versorgte Gebiete anbinden, wären ein natürlicher nächster Schritt. Die Integration aller Optionen in Plattformen wie Jelbi, infrastrukturelle Anpassungen wie reservierte Zonen für Mikromobilität und Parkraum für Sharing-Angebote oder Haltebuchten für autonome Taxis und unterstützende Informationen runden das Bild ab. Weniger Raum für das Privatauto, aber dafür ein gutes Angebot an öffentlicher Ladeinfrastruktur für die ‚Laternenparker‘.“

Portrait Prof. Dr. Frank Wolter, Professor für Automotive und Mobility Management an der School of Technology and Architecture SRH Berlin University of Applied Sciences  © Tobias Ahlbrecht

Prof. Dr. Frank Wolter SRH Berlin University of Applied Sciences
© Tobias Ahlbrecht

Portrait Prof. Dr. Andreas Knie, Sozialwissenschaftler am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung  © Bernhard Ludewig

Prof. Dr. Andreas Knie Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
© Bernhard Ludewig

„Berlin ist vielfältig und bunt. Was vielen auf den Wecker geht, wird international gefeiert: keine Sperrstunden, keine Zäune um die Parks, ein Leben, das auch nachts funktioniert. Kunst und Kultur sind die Standortvorteile der Stadt. Dagegen ist die Berliner Verkehrspolitik schon seit Jahren völlig spießig. Der Senat verfolgt eine Politik der 1950er-Jahre: Auto, Autos, Autos. Es gibt zwar schon mehr als 1,2 Millionen Pkw, aber das reicht offenkundig nicht. Vielleicht passen ja sogar drei Millionen Fahrzeuge in die Stadt? Es ist, als wäre die Zeit stehen geblieben. Völlig sinnlos wird die Autobahn A 100 quer durch die Stadt getrieben, zerstört Kultur und Natur, und weil das noch nicht reicht, wird mit der Tangentialverbindung Ost eine weitere Schneise des Grauens geplant, mit Geld, das gar nicht da ist. Dafür werden öffentliche Flächen verschenkt. Rund 80 Prozent davon okkupiert das Auto, dabei ist es nur noch Verkehrsmittel Nummer drei. Wer die Freiheit bewahren will, muss verantwortungsbewusst handeln und die Stadträume den Menschen zurückgeben.“

„Freiheit und Verantwortung gehören in der Berliner Mobilität zusammen wie Currywurst und Pommes: Auf dem Weg von A nach B wollen wir selbstbestimmt und flexibel sein – mit Verkehrsmitteln unserer Wahl. Freiheit bedeutet deshalb, einen Mobilitätsmix zu bieten, der Zugang zu vielfältigen, zuverlässigen und bezahlbaren Verkehrsträgern schafft. Egal ob zu Fuß, mit dem Rad, dem ÖPNV, mit Sharing-Angeboten oder dem eigenem Auto – es braucht attraktive und effiziente Angebote über alle Verkehrsträger hinweg. Verantwortung bedeutet, diese Auswahl zu gewährleisten und Mobilität gleichzeitig so zu gestalten, dass sie klima- und sozialverträglich ist. Zukunftsfähige Berliner Mobilität zeichnet sich aus durch Vielfalt, Verlässlichkeit und intelligente Vernetzung – für alle Berlinerinnen und Berliner, egal in welchem Kiez. Das gelingt durch Investitionen in einen leistungsfähigen, großflächig angebundenen ÖPNV, auch an den Rändern der Stadt, sichere Rad- und Fußwege, intelligente Sharing-Angebote, die Integration innovativer Technologien und digitaler Lösungen sowie faire Regeln für den Straßenraum. Freiheit oder Verantwortung? Nur wer beides denkt, gestaltet Lebensqualität in unserer Stadt. Und mal ehrlich: Wer pünktlich, stress- und emissionsfrei ankommt, hat nicht nur etwas für die Stadt getan –sondern auch für den eigenen Blutdruck.“

Portrait Dominique Eichner, Head of Strategy – eMobility, Siemens Mobility GmbH  © PicturePeople 2023

Dominique Eichner Head of Strategy – eMobility, Siemens Mobility GmbH
© PicturePeople 2023

Portrait Dr. Carl Friedrich Eckhardt, Experte für nachhaltige Mobilität, BMW Group  © Enes Kucevic

Dr. Carl Friedrich Eckhardt Experte für nachhaltige Mobilität, BMW Group
© Enes Kucevic

„Freiheit oder Verantwortung? Freiheit und Verantwortung! Artikel 2 Grundgesetz stellt (Mobilitäts-)Bedürfnisse in den Mittelpunkt (Freiheit) – nicht Verkehrsmittel. Aber ökonomische und ökologische Effekte auf Dritte müssen sich in den Entscheidungen widerspiegeln (Verantwortung). Sind die Rahmenbedingungen so gesetzt, ergibt sich ein nachhaltiger Mobilitätsmix aus dem Innovations­wettbewerb der Anbieter – nutzerzentriert, kostenminimal, flächeneffizient, sauber. Für Rahmenbedingungen gibt der Rechtsstaat allgemeine Regeln vor. Die Gleichbehandlung (Artikel 3 Grundgesetz) führt zu einer sachlichen Differenzierung, nicht aber zu einer Privilegierung oder Diskriminierung. Wer zum Beispiel mehr öffentliche Fläche nutzt, zahlt auch mehr. Aber alle zahlen denselben Euro-Betrag pro Quadratmeter.

Regeln müssen verhältnismäßig sein: Individuelle (Mobilitäts-)Entscheidungen dürfen nicht unnötig beschränkt werden (Erforderlichkeit, Angemessenheit). Das spricht klar gegen Ge- oder Verbote in der Mobilität. Fazit: mit dem Grundgesetz als Leitfaden für Effizienzsteigerungen bei allen Verkehrsträgern und damit für Vorteile für alle. Wer kann dazu schon Nein sagen?“

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